Heft 
(1881) 298
Seite
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Jahres 1875 beauftragte der Secrctär des Inneren diesen Forscher, Sammlun­gen in West-Nevada und Californien be­hufs der projectirten Ausstellung vorzu­nehmen. Powers führte eine neue Ex­pedition aus, und es wurden durch dieselbe die Resultate seiner Beobachtungen noch vervollständigt. Er hat seine Studien in einem Werke niedergelegt, dessen Heraus­gabe das Ministerium des Inneren ver- anlaßte. Das umfangreiche Buch, welches den Titel ,,'I'ribL8 os Oalifornia^ fuhrt, bildet den dritten Band derOonti-ibu-

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es hat vor anderen Werken dieser Art den Vorzug, daß der Verfasser bei seinen emsigen Studien von einem idealen Ge­sichtspunkt ausgeht. Mit peinlichster Ge­wissenhaftigkeit schreitet er von Stamm zu Stamm und zeichnet seine Beobachtun­gen ans, aber ihm ist das Object nicht gleichgültig, sondern er sieht den Men­schen im Wilden und fragt sich: Ist er werth, daß er vergeht? Darf ihn die Civilisation zermalmen wie den Felsen, der ihr den Weg versperrt? Giebt es kein Mittel, die geistig Armen der Bar­barei zu entreißen? Weil Stephen Powers aber den Philanthropen dem For­scher zur Seite stellt, weil er bei aller Unparteilichkeit der Untersuchung ein Herz hat für die Verfolgten, so wird er auch das Herz seiner Nation rühren. Das Werk ist freilich nicht für weitere Kreise bestimmt, denn Powers legt die Resultate seiner Forschungen aus 638 Folioseiten nieder, so daß nur der Fach­mann seiner Führung, ohne zu ermüden, folgen kann, aber die Tagespresse wird die Schilderungen herausnehmen, welche das Wesen der indianischen Race und die Ursachen ihres Hinsterbens kennzeichnen.

Zwischen dem Urbewohner des sonnigen Kaliforniens und ihren Nachbarn läßt sich nach Powers keine scharfe Grenze ziehen. Man kann nicht auf einen Fluß oder Gebirgszug deuten und sagen: hier endet das Gebiet eines Stammes und beginnt das eines anderen. Es sind nur gewisse allgemeine Gebräuche, welche die Indianer Californiens kennzeichnen; bei ihnen findet man ein Versammlungshaus, die Verbrennung der Todten, eine Art von Plutokratie oder Herrschaft derer, welche Geschenke anstheilen; und was man

nicht bei ihnen findet, ist die Anwendung der Tortur bei Kriegsgefangenen. Ver­brennung der Todten und das Vorhan­densein von Versammlnngshäusern sind zwar Kennzeichen allgemeiner Art, und ferner ist das Verbrennen der Leichen in Californien nicht überall gebräuchlich. Von den Paiuti oder Nevada-Indianern unterscheiden sich die Stämme Californiens hauptsächlich dadurch, daß die ersteren ihre Hütten mehr oder weniger ans den Höhen errichten, während die letzteren sie in die Nähe der Wasserläufe bauen. Es geht daraus hervor, daß die Califor- nier im Allgemeinen friedlicher und wei­bischer sind als ihre Nachbarn; sie sind überdies heiterer und geselliger als die übrigen Volksstämme ihrer Race. Am besten werden sie erkannt durch die Sprache; diese ist wie bei den meisten Zungen der Länder mit warmem Klima reich an Vocalen und zeigt das Bestreben, har­monisch zu wirken. Während die Sprache der im Norden wohnenden Indianer rauh klingt und lange Worte hat und jene der östlich wohnenden Rothhäute durch Gnt- turaltöne unschön wird, zeichnen sich die Sprachformen der Californier mit wenigen Ausnahmen durch Einfachheit, Kürze und guten Klang der Worte ans. Stephen Powers hat die Vocabnlarien von drei­zehn Stämmen zum Vergleich gesammelt. Die Sprache ermöglicht es dem Linguisten, die im Lande zerstreuten Familien als Angehörige dieses oder jenes Stammes zu erkennen, doch wird auch diese Unter­scheidung schwierig durch die vielen Dia­lektformen.

Eine seltsame aber erklärliche Erschei­nung ist die, daß viele Indianer bei feier­lichen Ansprachen und im Gesang die Worte ein und desselben Satzes wieder­holen. Die Redner bei de Todtenfeier der Aoknts, eines am Tulare-See woh­nenden Stammes, wiederholen beispiels­weise in den kurzen Sätzen ihrer feier­lichen Ansprache fast jedes Wort in allen Tonarten. Sie rufen: Seid bereit zur Trauer! Seid Alle bereit! Haltet die Gaben bereit u. s. w. Statt nun jeden kurzen Satz ganz auszusprechen, theilen sie denselben noch, etwa wie folgt: Seid bereit seid bereit seid bereit zur Trauer zur Trauer zur Trauer. So singen auch die Karoks, welche im