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Jllustrirte Deutsche Atouatshefte.
aus Borke, Reisig und Fellen gebildeten Zelten. Die Versammlungshäuser sind zumeist aus Rasen und Erde erbaut. Hier ist es kühl und schattig, und die Männer liegen auf der Erde und stützen den Kopf auf die Rasenbank, welche den Raum um- giebt. Die Frauen dürfen das Versammlungshaus nur bei festlichen Gelegenheiten betreten; sie bleiben mit den Kindern zumeist in den Hütten, stampfen Eicheln, dörren Fleisch, flechten Körbe oder gehen in den Wald, um Beeren zu suchen oder Wurzeln auszugraben. Die Männer verschlafen den größten Theil des Tages; wenn die Noth sie treibt, stellen sie dem Lachs in den Hellen Strömen oder dem Geflügel nach. Einige Stämme besitzen eine große Geschicklichkeit, das Wild durch Fallen und Vögel durch Netze zu fangen; andere handhaben den Bogen niit Geschick. Aus dem Cederholz, das sie mit Hirschtalg geschmeidig machen, gewinnen die Indianer einen elastischen Bogen. Es giebt Wilde, welche eine solche Treffsicherheit besitzen, daß sie einen Hasen, der hundert Schritte von ihnen entfernt am Fuß einer Eiche aus dem Grase hervorlugt, mit dem Pfeil durch die Ohren schießen und ihn so an den Baumstamm sestnageln. Den grauen Bären wagt selten ein Wilder anzugreifen.
Im Sommer bildet der blühende Klee eine Lieblingsspeise vieler Jndianerstämme, und manche von ihnen weiden so große Strecken ab, daß sie wie die Pferde oder Kühe von einer Austreibung des Magens befallen werden. Sie lassen sich in diesem Zustande von ihren Verwandten oder Freunden den Leib kneten; in verzweifelten Fällen erweisen die Helfer dem Patienten den Liebesdienst und treten ihm mit den Füßen auf den Leib. Die Indianer verspeisen fast alle Nahrungsmittel kalt, und die, welche nach der alten Gewohnheit leben, behalten bis ins hohe Alter hinein ein gutes Gebiß und den reinen Odem des Kindes; sobald sie jedoch nach Art der Weißen leben und heiße Speisen und Getränke zu sich nehmen, verlieren sie die Zähne so rasch wie die Weißen und ihr Odem wird unrein.
Obgleich der Indianer in seiner Hütte vor Schmutz fast verkommt und die Lumpen, welche er auf dem Leibe trägt, fast niemals einer Reinigung unterzogen wer
den, ist er doch ein großer Freund von kalten Bädern. In diesem Punkte übertrifft er die Bewohner des alten Sparta und Rom. Aus der heißen raucherfüllten Hütte läuft er täglich zwei- oder dreimal zum Bach und wirft sich ins Wasser. Diese Verachtung der Temperaturunterschiede mag bei vielen Stämmen die große Sterblichkeit zum Theil verschulden, welche ihre Reihen lichtet. Die californischen Indianer fühlen sich überaus wohl in der kühlen Fluth, und ihre Natur nähert sich jener des Amphibiums, denn sie können doppelt und zuweilen dreimal so lange unter dem Wasser aushaltcn als der beste weiße Taucher. Da sie mit einer so guten Lunge begabt sind, vermögen sie auch lange im Laufe auszuhalten.
Die Abhärtung des Indianers beginnt schon bei der Geburt. Alte Ansiedler erzählen von zwei Frauen ans dem Stamme der Nozi, der heute bis auf etwa fünf in der Wildniß sich bergende Indianer ansgerottet ist, folgendes Vorkommniß.
Vor einigen Jahren hatten die Nozi im Sakramentothal ein Gemetzel angerichtet, und einige Jäger fingen zwei Weiber des Stammes nach der blutigen That ein, welche versprachen, sie ans die Spur der Mörder zu geleiten. Im Abenddunkel eines schaurigen Wintertages brachen die Amerikaner mit den beiden Frauen — Mutter und Tochter — auf. Es schneite, und der Sturm heulte gleich einem Rudel hungriger Wölfe. Ohne des Wetters zu achten, schritten die Indianerinnen rüstig und ohne ein Wort zu verlieren durch den ächzenden Wald. Gegen Mitternacht erreichte der kleine Zug einen Bach, der zum Strom angeschwollen war. Die Jäger begriffen, daß ein Uebersetzen im Dunkel der Nacht eine Unmöglichkeit sei. Während sie aber am Ufer hin und her liefen und sich gegenseitig im Schneesturm zuriefen, verschwanden die Weiber plötzlich. Alle Rufe nach denselben blieben ohne Antwort. Die Jäger glaubten, die Indianerinnen hätten ihnen einen Streich gespielt, und schon wollten sie nmkehren, da vernahm einer von ihnen mitten im Sausen des Windes eine quäkende, wimmernde Kinderstimme. Die Expedition war durch ein neues Mitglied verstärkt worden. Die Männer, welche sich halb erstarrt von der Kälte fühlten, versuchten