Heft 
(1881) 298
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Illust rirtc Deutsche Monatshefte.

leidtragende war Kolomnsnim, ein Mann von großem Ansehen. Im Busch leuch­teten kleinere Feuer auf, deren Rauch die Gestalten der Wilden halb verschleierte. Während der ganzen Nacht drang über den Festplatz hin das Heulen und Kläffen der Hunde, welche in Rudeln sich bald gegenseitig ansielen, bald um die Feuer jagten.

Lange hockten die nackten Gestalten bei den Feuerbränden und wisperten sich das, was sie zu sagen hatten, ins Ohr. Dann mit einem Male erscholl vonKolomnsnim's Lagerplatz her ein langgezogener, wilder Wehschrei. Dieser Schrei, den ein Weib ausstieß, wiederholte sich noch einige Minuten, dann vereinte sich mit dieser Stimme eine zweite, später eine dritte, aber langsam, sehr langsam schwoll der Wehruf an, bis zuletzt das ganze Lager sich zu einem schrecklichen Chor vereinte. Nach etwa einer halben Stunde verstummte dieses barbarische, wie ans den Tiefen des Orkus hervorschallende Wehgeheul; so lang­sam, wie es entstanden war, tönte es aus. Jetzt trat eine tiefe, grabesähnliche Stille ein, bis die Hunde, welche vor dem ent­setzlichen Chor verstummt waren, wieder Mnth gewannen und zu kläffen begannen.

Cs verging einige Zeit; dann trat Sloknish, der Chef der Chnkchansi, ein kleiner alter Mann, der sich aber sv gerade hielt wie ein Pfeil und mit seinen kleinen Basiliskenangen kühn um sich blickte, in den offenen Raum, ging lange aus und nieder und begann dann kurze Sätze aus­zurufen, wobei er die einzelnen Worte immer wiederholte: Macht euch bereit zur Trauer! Seid Alle bereit! Habt die Opfer zur Hand! Eure Opfer für den Todten! Haltet sie bereit! Die Trauer beginnt. Es eilt! Alle fertig! Etwa zwanzig Minuten lang setzte der Alte dies Rufen fort, dann trat er vom Schauplatz ab. Jetzt erschienen die opfernden Män­ner mit ihren Gaben vor der heiligen Flamme, fetzten dieselben auf den Rasen­wall und brachen in ein dumpfes Ge­murmel aus.

Schon war es zehn Uhr in der Nacht geworden, da trat ein Herold mit langem Stabe auf den Tanzplatz, schritt an den Büschen auf und nieder und rief: Fertig zum Tanz! Alle sollen fertig sein! Wir find Alle Freunde! Wir sind eines

Stammes! Wir waren einst groß! Jetzt sind wir klein! Unsere Herzen find eins! Haltet die Gaben bereit! Die Weiber haben viel Geld! Sie müssen am meisten geben! Haltet den Tabak bereit! Laßt uns Tabak kauen!

Auch dieser Mann wiederholte jedes Wort in allen Tonarten, und seine Pro- clamation dauerte so lange wie die des Häuptlings. Die Indianer begannen hierauf Tabak zu essen, und es schien, als legten sie sich damit eine Buße zur Abtödtung fleischlicher Gelüste ans; denn nachdem sie eine Weile scherzend und lachend den Tabak gekaut und verschluckt hatten, ging einer nach dem anderen hin­aus ins Dunkel des Waldes, und man hörte von dorther Töne, wie man sie bei stürmischer See ans den Passagedampfern vernimmt. Als die Männer ihren Magen erleichtert hatten, ging der Herold noch einmal umher und rief: Laßt uns trauern und weinen!

Nach dieser dritten Proclamation ver­sammelten sich alle Leidtragenden mit ihren Gaben im Kreise um Kolomusnim und begannen einen Tanz, bei welchem sie ihre Gaben hoch über den Kopf hielten. Da sah man glitzernde Muschelhalsbänder, Körbchen mit buntem Aufputz von Wachtel­federn, dann Federwedel, Felle u. s. w. Kolomnsnim hatte einen Bund Raben­federn von seltenem metallischen Glanze in den Händen. Das prächtigste Stück aber war ein etwa sechs Fuß langer Federschmuck iu der Form eines halbge­öffneten Sonnenschirms, der zumeist aus Nabenfederu gebildet, aber mit so farben­reichen kleinen Federchen, Muschelstücken und Flaum decorirt war, daß die herrlich­sten Farbenbilder ans den Flächen hervor­traten. Dieses Kunstwerk einer Indianerin bildete mit seinen wehenden Federn, glän­zenden Flächen und köstlichem Farbenglanz einen so schroffen Gegensatz zu den rauhen, heulenden Wilden, daß man denken konnte, ein Dämon habe dies duftige, schillernde Gebilde den Händen einer Fee entrissen.

Die Betrachtung dieser Dinge, von denen einige der Todten gehört hatten, und die große Ansteckungskraft, welche menschliches Leid ansübt, versetzten bald die Indianer in eine Erregung, deren Ausbrüche an Raserei grenzten. Die Klagen wurden wilder und wilder, man sprang ans, rang