o12 Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
Gegen ein Uhr in der Nacht traten die Frauen auf den Schauplatz. Tumnltuarisch liefen sie auf ein gegebenes Signal zur Tenne hin und formten rasch einen Kreis um das geheiligte Feuer, wobei die Mädchen den inneren Ring bildeten und ihre Gesichter der Flamme zukehrten. Die männlichen Zuschauer drängten sich auch herbei, gefticulirend und rufend in augenscheinlich großer Erregung. Dann nach einer Weile hockten sich die letzteren im Busche nieder und - sangen oder besser brummten den Trauergesang, der seltsam unheimlich klang. Jetzt begann der Tanz der Weiber. Es war ein einfacher Zweitritt mit schaukelnder Bewegung des Oberkörpers; dazu bewegten die Tänzerinnen die Hände, als wollten sie die Opfer darbieten, und stießen einen Laut aus, der wie „Heh" klang. Der röthliche Schein des Feuers drang zwischen den Gestalten hervor; Licht und Dunkel wechselten mit dem Tempo, die schweren, feffellosen Haare der Tänzerinnen flatterten im Nachtwind wie Rabenflügel, dazu der keuchende Ton, der aus der Brust drang, und der einförmige Gesang der Männer — das Alles vereinte sich zu einer ebenso phantastischen wie grausigen Wirkung. Und dieser Todten- tanz währte die Nacht hindurch bis zum Hellen Morgen. Weder der kalte Nachtwind, noch der Rauch des Feuers, noch der aufwirbelnde Staub brachten die Tänzerinnen zum Stillstand. Es lag so viel Gespenstisches in den Tönen, so viel Dämonisches in der Erscheinung der tanzenden Mädchen, daß der weiße Zuschauer an den Spuk der Walpurgisnacht gemahnt wurde. Erst als im fernen Osten der Morgen heraufdämmerte, erstarb langsam der Gesang, und das schauerliche „Heh" der Tanzenden wurde schwächer. Der Todtentanz war zu Ende, als die Sonne am Horizont erschien.
Jetzt trat Todtenstille im Lager ein. Die Hunde selbst schienen zu schlafen, die Ponies hörten in den Manzanitabüschen auf zu schnauben und zu wiehern und beim Anblick des schönen Thales, durch welches das goldige Sonnenlicht fluthete, erschien dem weißen Gast das Schauspiel der Nacht wie eine Phantasmagorie oder wie ein Fiebertraum. Eine Stunde später ging der rastlose Herold wieder von Wigwam zu Wigwam und rief die Schläfer
wach, damit die Opfer verbrannt würden. Wieder ertönte der Todtengesang, und wieder tanzten die Weiber um die Flamme, welche jetzt eine Gabe nach der anderen verzehrte.
Eine so große Pietät die Indianer im Allgemeinen dem Todten gegenüber bezeugen, eine so geringe beweisen sie dem Alter. Der angesehenste Krieger wird, wenn seine Kräfte erlahmen, zum Sclaven der eigenen Kinder. Sobald der Sohn den Hirsch erlegt oder den Lachs fängt, wird der Vater sein Lastthier. Die Alten müssen keuchend die Beute Heimschleppen, und der junge Krieger sieht zu, wie sein Vater, der den stolzen Namen „Adlerfeder" oder „Der große Stier" trägt, unter der Last zusammenbricht. Stephen Powers begegnete einst auf seinen Wanderungen einer erblindeten Greisin, welche von den Kindern ans dem Lager gestoßen worden war. Mit einem dürren Stecken den Weg suchend, schritt die hülflose Alte durch die umnachtete Welt und stieß von Zeit zu Zeit Schreie aus, wie man sie von einem Hasen hört, wenn ihn der Hund mit den Zähnen zerfleischt. Sie wanderte langsam durch die Wilduiß, ohne Ziel, ohne Hoffnung, bis Hunger oder Zufall ihrem elenden Dasein ein Ende machten.
Der Gottesbegriff fehlt den Indianern Californiens ganz. Sie sprechen vom Pomo oder Menschen, der vor ihnen da war; sie haben Sagen, in denen der alte Mann oder der Coyote oder irgend ein Thier als Schöpfer bezeichnet wird, aber sie wissen nichts von einem überirdischen Wesen, nichts von einer weltregierenden, welterhaltenden Kraft.
Was ihre Anschauungen über Seele und Unsterblichkeit betrifft, so meinen einige Stämme, daß der Tod die Existenz des Menschen völlig abschließe; andere dagegen träumen von einem besseren Leben im „Wsstsrn UnnM. Ihre Begriffe über die Gestalt, in welcher sie die seligen Gefilde betreten, und über die Seligkeit, die ihrer daselbst wartet, sind sehr unklar.
Einst begrub ein alter Ansiedler, der eine Indianerin geheirathet hatte, sein kleines Töchterchen. Als er die Leiche in die Gruft bettete, sprang eine alte Indianerin, welche das Kind sehr geliebt hatte,