Heft 
(1881) 298
Seite
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

Von Indianern; im Jahre 1831 wohnten auf den verschiedenen Missionen noch 18 683. Heute ist die rothe Bevölkerung auf mehr als den zwanzigsten Theil re- ducirt. Manche Stämme sind ganz aus­gerottet, andere, wie die kriegerischen Nozi, auf fünf herabgesunken, die sich, dem scheuen, verfolgten Wilde gleich, in unzu­gänglichen Schluchten oder dem Urwald bergen. Die Kugeln der Ansiedler haben mächtig unter ihnen aufgeräumt, aber auch die Noth, welche mit dem Hinschwin­den der natürlichen Hülssquellen eintrat, arbeitet an ihrer Ausrottung. Wie schade, daß der Indianer Californiens nicht als Christ geboren wurde, sondern als das, was die Natur aus ihm machte: als Heide; denn so erklärten ihn die Jesuiten­patres für dasauf der niedrigsten Stufe stehende Geschöpf". Ein Unglück für ihn, daß die purpurfarbenen Berge mit Silber durchsetzt und die Thäler reich an Gold­staub waren, denn dadurch wurde er in den Augen des Einwanderers zum Vaga- bonden und Dieb. Ein Jammer, daß seine sonnenbeglänzte Heimath den Weizen in so reicher Fülle gedeihen ließ, daß sieben Ernten im Jahre eingebracht wer­den, denn dadurch wurde er zum rach­süchtigen Schurken.

Das Schicksal der Modoes ist bezeich­nend für die ganze rothe Raee in Cali- fornien. Dieser starke und kriegerische Stamm vermochte im Jahre 1872 noch vierhundert Krieger auszurüsten. Die Regierung nahm demselben in den sech­ziger Jahren seine eigentliche Heimath und wies ihm als Reservation ein Ter­rain an, wo er mit seinem erbitterten Feinde, dem Muskaluk, zusammenwohnen sollte. Lange duldeten die Verbannten die Feindseligkeiten, dann brachen die gereiz­ten Krieger aus, und es erfolgten blutige Kämpfe, die im Jahre 1873 mit der Un­terwerfung und fast völligen Vernichtung des Stammes endeten. Die kriegerischen Indianer hatten sich bekanntlich in den Lavabetten verschanzt, und die Militär­ingenieure, welche dem Gefecht beiwohnten und die Verschanzungen besichtigten, er­klärten, daß die moderne Befestigungskunst aus der vorhandenen Position nichts Voll­kommeneres hätte schaffen können und daß die Vertheidigung der Indianer in stra­

tegischer Beziehung geradezu musterhaft gewesen sei.

Einst bildeten die Chumaia am Eel- River einen mächtigen Stamm, der heute ganz vernichtet ist. Weit ab vom Strom liegt ein einsamer Felsen, den man den Blutselsen nennt, und man erzählt sich im Stromthal, daß hier die letzten Krieger der Chumaia den Heldentod fanden. Die Pioniere hatten im erbitterten Kampfe die Vernichtung dieser Indianer beschlossen, und nachdem sie die Dörfer zerstört und Weiber und Kinder ermordet, gelang es ihnen, die letzten dreißig oder vierzig Krieger einzuschließen. Diese suchten in wahnsinniger Verblendung ihre letzte Ret­tung auf dem Bergkegel, der heute der Blutselsen heißt. Hier waren die Verfolg­ten vor die Wahl gestellt, entweder vor Hunger und Durst zu verschmachten oder unter den Kugeln ihrer Feinde zu fallen. Sie beschlossen, als Männer zu sterben.

Früh am Morgen hörten die Belagerer vom Gipfel der Felsen her den schaurigen Todtengesang der Chumaia; dann be­merkten sie, wie diese Hand in Hand an den Rand des Abgrundes traten. Droben auf der schwindelnden Höhe warfen die rothen Männer einen letzten Blick in die blaue Ferne, wo ihr schönes Thal am Eel- River lag. Zum letzten Male sahen sie, wie das goldige Sonnenlicht die blühende Erde überströmte; zum letzten Male sahen sie den schimmernden Fluß, die schattigen Wälder, den Rauch der brennenden und zerstörten Hütten. Todtenstille herrschte für eine Weile; dann schallte ein wilder vielstimmiger Schrei vom Felsen her, und mit einem Satz stürzten sich die rothen Krieger kopfüber in die grausige Tiefe.

In dem jungen Californien entsteht unter den Händen der rastlosen, energie­vollen Amerikaner eine wunderbare Welt. Diese läßt keinen Raum für Wilde, welche zwei Drittel des Tages verschlafen und das letzte Drittel in stumpfer Gleichgül­tigkeit verbringen. Die Arbeit zerstört hier das Paradies, von dem einst ein Jean Jacques Rousseau träumte. Der rothe Mann wird untergehen, wenn der Versuch, ihn für die Arbeit und Civilisation zu gewinnen, mißlingt. Man kann die dem Untergang Geweihten beklagen, aber es ist schwer, vielleicht unmöglich, sie zu retten.