Heft 
(1881) 298
Seite
516
Einzelbild herunterladen

516

Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

Plötzlichkeit erst möglich gemacht durch den Umstand, daß im Westen Nord­amerikas östlich von dem Oberen See bis gegen das Felsengebirge hin noch unbesiedelte Steppen oder Prairien von unermeßlicher Ausdehnung sich befinden, welche, völlig frei von Gestrüpp und Steinen, mit einer äußerst fruchtbaren Humusschicht von einem halben Meter Tiefe bedeckt, ohne weitere Vorbereitungen gleich den Wiesen eines cultivirten Landes unter den Pflug genommen, umbrochen und mit Weizen besäet werden können, der auf Jahrzehnte hinaus ohne Düngung außerordentlich fruchtbare Ernten ergiebt. Die britische landwirthschaftliche Enquöte- Commission, welche den Westen der Ver­einigten Staaten im Sommer 1879 be­reiste, hat Landgüter angetroffen, auf wel­chen sich wogende Weizenmeere im Um­fange von 25 englischen Quadratmeilen befanden. Eine dieser Getreideflnren wurde von 1000 durch berittene Aufseher geführten Arbeitern geerntet, welche mit 133 selbst garbenbindenden Getreidemähe- maschinen ausgerüstet waren. Den Ernte­maschinen folgte eine entsprechende Anzahl von Dampf-Dreschmaschinen, welche, mit dem soeben gewonnenen Stroh geheizt, den Weizen fortirt in die Säcke lieferten. Diese wurden ohne Weiteres zur nächsten Eisenbahnstation gefahren, wo ein Extra­zug für sie bereit stand, der sie nach Duluth am Oberen See ablieferte, wo das Getreide in die Schiffe verladen wird. Infolge dieser Ausdehnung der westlichen Land- wirthschaft hat sich der Weizenbau allein in den Vereinigten Staaten von 289356 500 Bushels (1 Bushel 0 , 351/4 bl 30 üg) im Jahre 1876 auf über 364 Millionen Bushels im Jahre 1877, 420 Millionen im Jahre 1878, 449 Millionen im Jahre 1879 und 480 Millionen im Jahre 1880 gesteigert, während der Maisbau von 850 Millionen Bushels im Jahre 1874 auf 1321 Millionen im Jahre 1875, auf 1283 im Jahre 1876, 1342 im Jahre 1877, 1388 im Jahre 1878, 1547 im Jahre 1879 und 1538 im Jahre 1880 sich gehoben hat.

Mit diesem wunderbaren Aufschwünge des Getreidebaues feit einem Lustrum hält die Viehzucht gleichen Schritt. Die ungeheuren noch unbesiedelten Prairien im Inneren des Continents, welche sich von

der Grenze Canada's bis nach Texas und Neu-Mexico hinziehen, sind von Millionen weidender Rinder bedeckt, welche, von dem besten Racevieh Alt-Englands abstammend, fortwährend veredelt werden und einen von Jahr zu Jahr steigenden Tribut an lebendem Vieh und frisch geschlachtetem Fleisch nach Europa abliefern. Seit dem Jahre 1876 ist diese mit dem Getreide­export gleichen Schritt haltende Ausfuhr in ungeahnter Weise begünstigt nnd ge­steigert worden durch verbesserte Einrich­tungen und Kühlkammern auf transatlan­tischen Dampfern, so daß der Transport von lebendem Vieh von 1877 bis 1880 von 4'/g auf 20ch'z Millionen Dollars ge­stiegen ist, während die Ausfuhr von Fleisch weit größere Dimensionen angenommen hat. Abgesehen von der Viehausfnhr ist der Export von Brotstoffen nnd animali­schen Lebensmitteln von 269 Millionen im Jahre 1877 auf 456 Millionen Dollars im Jahre 1880 angewachsen, also inner­halb der letzten vier Jahre um nicht weni­ger als 800 Millionen Mark gestiegen!

Stellt man die Berichte der englischen Enquete-Commission mit dem Zeugniß von Fachmännern zusammen, welche alle Theile der Vereinigten Staaten bereist haben, so ergiebt sich daraus, daß der Landwirth im Westen der Vereinigten Staaten an Ort und Stelle unter Berechnung sämmt- licher Prodnctionskosten seinen Weizen bei normalen Ernten, wie sie seit den letzten vier Jahren gewesen, zu 12 1/2 Mark per 100 verkaufen kann, während der Durchschnittspreis der letzten sechs Jahre im preußischen Staate sich auf 21 Mark stellt. Ronna behauptet sogar, daß der westamerikanische Landwirth noch bei einem Preise von 6 Mark per Hektoliter bestehen könne. Die Fracht vom Productionsorte bis zu einem europäischen Hafen stellt sich aus höchstens 7 Mark per Hekto­liter. Da der Durchschnittspreis des Jahres 1880 in Preußen 21 Mk. 90 Pf. betrug, in den westlichen Provinzen aber sogar 23 Mk. 50 Pf., so ergiebt sich da­raus, daß die westamerikanischen Getreide­producenten in normalen Jahren einen Vorsprung- etwa 3 bis 4 Mark per Hektoliter genießen.

Dieser Vortheil ist aber noch viel er­heblicher in Beziehung aus die Fleisch- waaren. Am Rande des westamerikani-