Heft 
(1881) 298
Seite
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

unseres Denkens mit einander verknüpft werden. Nicht dies ist das Geschäft der Logik. Diese vielmehr begnügt sich damit, die Bedingungen festzustellen, unter denen Wahrheiten allgemein gültig und nothwendig sind, und sie überläßt es alsdann der Metaphysik, die letzten Vor­aussetzungen, von denen alles planmäßige Denken ausgeht, die Resultate, zu denen es gelangt, in einer einheitlichen Betrachtung zu­sammenzufassen. Eine solche Betrachtung ist auf den letzten Grund des Verhältnisses ge­richtet, welches zwischen den objektiven Gesetzen und Idealen des Denkens und Wollens einer­seits und dem objectiven Inhalt der Erkennt- niß andererseits obwaltet. Denn die Idee Gottes bildet die Voraussetzung, ohne die über­haupt ein Wissenwollen im eigentlichen und strengen Sinne nicht denkbar ist; die Idee Gottes ist somit die ideale Voraussetzung, ohne welche auch eine Wissenschaft endlicher That- sachen an keinem Punkte abgeschlossen werden kann.

Hier ist der Punkt, an welchem diese Theorie sich von der Kant's fundamental unterscheidet. Kant glaubt eine Wissenschaft der Erscheinun­gen statuiren zu können, und ihm scheint als­dann nur aus dem unerfüllbaren Bedürfniß nach Totalität der Welterkenntniß die meta­physische Ueberzeugung zu entspringen. Aber mißachtet er nicht hierbei eben die Thatsache des Wissenwollens, das Bedürfniß, von dem Werth dieser Erkenntniß, von Erscheinungen eine bestimmte Vorstellung sich zu bilden? Diese Thatsache ist nicht minder mächtig als die des sittlichen Gesetzes, das wir in uns finden, und beide weisen auf denselben Abschluß unserer Weltansicht in der Idee Gottes hin. Diese Idee ist somit eine Forderung, die wir an die Begreiflichkeit der uns gegebenen Data stellen; sie hat daher dieselbe Evidenz als jeder Versuch, in anderer Richtung Data be­greiflich zu machen, als der ganze Ausbau eines Reiches von Kräften und Substanzen, vermöge dessen wir das Zerstreute zur Einheit zusammenfassen. Natürlich ein Beweis in streng logischem Sinne ist hier so wenig als dort möglich; Realität außer uns kann überhaupt, wie schon Hume gezeigt hat, niemals bewiesen werden. Solche Realität von irgendwelchen Kräften oder Substanzen oder einer letzten Einheit ist für uns nur eine wohlbegründete Ueberzeugung, und ihre Grundlage liegt in der so hergestellten Uebereinstimmung unserer Ge­danken, in der so eintretenden Erfüllung der Forderungen, die wir an die Begreiflichkeit des Gegebenen stellen.

Eine solche abschließende Weltansicht ist aber nur möglich, wo das letzte Problem, das tiefste aller Philosophie, das Verhältniß von Noth- wendigkeit und Freiheit, die Bedingungen seiner Lösbarkeit vorfindet. Nothwendigkeit ist das

Element unseres Denkens; Freiheit ist das Postulat unseres Wollens. Dächte man sich unser Denken isolirt, so würde es in einem Reiche der Nothwendigkeit sein Ideal finden; aus einem Grunde mit logischer Unfehlbarkeit die Besonderungen des Seienden und die Reihe seiner Entwickelungen zu deduciren, das wäre das ihm vorschwcbende höchste Ziel; und so ent­stände eine Metaphysik, die in einer Formel Gott und Welt so befaßte, daß alles Wirtliche nun darstellte, was von Einigkeit in dem Sein des letzten Grundes gesagt war. Aber in un­serem Wollen finden wir ein Sollen, Ideale, die erst durch freies Thun zur Verwirklichung zu gelangen bestimmt sind, und das Wahre selbst findet sich unter diesen Idealen unseres Wollens, ja dieses Ideal ist die treibende Kraft in unserer Erkenntniß. So würde die Logik die Wurzel selbst ausreißen, aus der sie er­wächst, wenn sie die Selbständigkeit des Wol­lens aufheben würde. Sonach können die Grundsätze der Erkenntniß nicht als Axiome, sondern sie müssen als Postulatc aufgefaßt werden. Wären sie Axiome, so würde durch sie die Freiheit ausgeschlossen sein. Ihr Cha­rakter als bloßer Postulate bezeichnet die Grenzen für das Ideal der Erkenntniß, das auf Noth­wendigkeit gerichtet ist.

Im Zusammenhang dieser Weltansicht baut also Sigwart seine Logik auf. Aber er behan­delt sie methodisch nicht als ein auf solchen Voraussetzungen Beruhendes, sondern durch eine außerordentlich nüchterne und scharfsinnige Analyse gewinnt er die Hauptsätze, durch welche die Logik in diese Stellung zur Metaphysik tritt. Er geht daher, wie schon erwähnt, nur von der Anforderung unseres Denkens, allgemein gültige und nothwendige Sätze hervorzubringcn, aus und entwickelt von dieser Anforderung aus sein Werk.

Gemäß dieser rein analytischen Methode untersucht er zunächst das Wesen der Function, für welche die Regeln gesucht werden. Diese Function, der lebendige Denkact in seiner ein­fachsten Gestalt, ist das Urtheil. Die Analyse des Urtheils durch Sigwart ist durchaus selb­ständig und eine bedeutende Leistung. Sie zeigt evident, daß ein Begriff wie der des all­gemeinen Urtheils durchaus reformirt werden müsse, da in ihm mchreres ganz Verschiedene zusammengeworfen ist, daß Wirklichkeits - und Nothwendigkeitsurtheile nicht aus einander ge­halten werden können, daß das verneinende Urtheil auf ein bejahendes sich beziehe u. s. w.

Ein zweiter Abschnitt untersucht die Bedin­gungen und Gesetze des normalen Vollzugs dieser Urtheilsfunction. Sehr sachgemäß ordnet so dieser Abschnitt die Lehre vom Begriff und die vom Schluß der vom Urtheil unter. Und hier tritt nun auch der mit der allgemeinen Weltansicht die Logik verbindende Grundgedanke