Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
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durchrast, so wurde unfehlbar die darauf folgende hindurch gearbeitet. Auf seiner Spritinaschine, welche brennend neben ihm stand, filtrirte er sich den stärksten Kaffee, und vermochte auch der dem erschöpften Körper die Müdigkeit nicht fern zu halten, so holte Archimedes, wenn alle anderen Bewohner des Hauses schliefen, sich aus der Pumpe auf dem Hofe einen Eimer eiskalten Wassers, um seine nackten Füße dahineinzustecken und dann frei von jedem verführerischen Schlafverlangen in seiner Arbeit fortzufahren.
Diese zweite, wenn auch achtungswerthe Tollheit hatte er vor mir wie vor allen Anderen verborgen gehalten; aber freilich, ihre Folgen konnten nicht verborgen bleiben. Wir waren diesmal Beide in den Weihnachtsferien nicht nach Hause gewesen; es ging schon in den März, als ich eine auffallende Veränderung in dem Wesen meines Freundes wahrnahm: der sonst so ordnungsliebende Mann war verschwenderisch geworden; er machte wiederholt allerlei seltsame Ankäufe, die seine knappen Mittel bei weitem überstiegen. Außer den theuersten Zirkeln, welche ihm gleichwohl immer nicht genügten, war seine Erwerbslust auf verschiedene Arten von Stoßrappieren gerichtet, eine Waffe, die auf unserer Universität nicht gebräuchlich war, aber freilich, feiner Person entsprechend, gern und mit Geschick von ihm gehandhabt wurde; endlich kamen sogar Lackstiefel mit immer dünneren und biegsameren Sohlen an die Reihe.
Als ich ihn über diese mir ganz unverständliche Verschwendung zur Rede stellte, glaubte ich etwas Unheimliches in seinen Augen aufleuchten zu sehen. „Geduld, Geduld!" sagte er hastig. „Kein voreiliges Urtheil, Liebster! Ich habe jetzt endlich einen Schuster aufgefunden, ein excellenter Bursche, ausnehmend excelleut! Wenn sie fertig sind, werde ich in den durchaus vollkommenen Stiefeln zu dir kommen —"
„Aber, Archimedes," unterbrach ich ihn, „was willst du damit und mit all' deinen Zirkeln und Rappieren?"
Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an; der Erwerb jener letzteren Dinge war ihm offenbar entfallen, obgleich die Rappiere in seinem Zimmer eine halbe Wand bedeckten.
Plötzlich, einige Tage danach, in welchen ich ihn nicht gesehen hatte, hieß es, Archimedes liege am Nervenfieber, es stehe schlecht mit ihm. Eilig ging ich nach feiner Wohnung; aber ich erschrak, ich erkannte ihn fast nicht; in seinem Bette lag etwas wie ein kleiner abgezehrter Greis, und noch heute würde ich die Möglichkeit einer so raschen Wandlung bestreiten, wenn ich sie nicht mit offenen Augen erlebt hätte. — Ein uns Beiden befreundeter junger Arzt von anerkannter Tüchtigkeit hatte ihn in Behandlung genommen; auch eine von diesem besorgte Wärterin war vorhanden.
Archimedes bewegte seinen Kopf, als ob er mir zunicken wolle. „Lieber Freund," flüsterte er, „ich fürchte, ich bin recht wunderlich gewesen die letzte Zeit; aber nun, es wird nun besser werden!" Er versuchte zu lächeln, nachdem er langsam und kaum verständlich dies gesprochen hatte; aber es gelang ihm ebenso wenig wie der Versuch, sich dann auf feinen Kiffen umzuwenden; die Wärterin stand auf, und wir Beide hoben und legten ihn, bis er zufrieden war.
Bald darauf kam auch der Arzt. Als wir nach einiger Zeit zusammen das Haus verließen, wollte er keine bestimmte Hoffnung geben; als ein eigentliches Nervenfieber bezeichnte er die Krankheit nicht; der Grund derselben liege in den fortgesetzten Ausschreitungen nach zweien Seiten, welche dieser an sich zarte Körper nicht habe ertragen können.
In meiner Wohnung angelangt, setzte ich mich sofort hin und gab dem Vater
