Heft 
(1881) 299
Seite
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Storm

brieflich über diesen Stand der Dinge Auskunft; ich glaubte ihm anheimstellen zu müssen, ob er bei dem ungewissen Ausgang persönlich kommen oder aber der Schwester die Reise an das Kranken­bett des Bruders gestatten wolle; zugleich bat ich, mit Rücksicht auf das zu Ende gehende Quartal, um Uebersendung einer Geldsumme für diesen außerordentlichen Fall.

Mit umgehender Post erhielt ich auch ein eigenhändiges Schreiben des Herrn Etatsraths: sein herrlicher Archimedes solle erfahren, daß sein Vater sich der vollen Verantwortlichkeit bewußt sei, einen Jüngling wie ihn der Mit- und Nach­welt zu erhalten; durch den Herrn Käfer würden iiiMaritöi- die ausreichendsten Mittel an mich, dem er sein vollstes Vertrauen entgegenbringe, eingehen; im klebrigen solle ich den Arzt zum Teufel jagen; die Sternows hätten allzeit eine Constitution gehabt, welche ohne diese Pfuscherkünste in das Geleise der Natur zurückzufinden wisse.

Damit schloß das Schreiben; von einem persönlichen Kommen, sei es des Schrei­bers selber oder seiner Tochter, war nichts erwähnt. Die Geldsendung in­dessen erfolgte wirklich; es war eine elende Summe, die kaum ausgereicht hätte, die Wärterin auf längere Zeit hin zu besolden. Sie sollte freilich hierfür noch mehr als ausreichend ge­wesen sein. Acht Tage waren vergangen; Archimedes wurde immer schwächer.

Als ich dann eines Vormittags in sein Zimmer trat, fand ich ihn schwer athmend, mit geschlossenen Augen; in seinem Ant­litz schien aufs Neue eine Veränderung vorgegangen zu sein, ob zum Leben oder zum Tode, vermochte ich nicht zu er­kennen; etwas wie eine ruhige Klarheit war in seinen Zügen; aber die Finger der Hand, welche auf der Decke tagen, zuckten unruhig durch einander. Ich stand

Etatsrath.

schon lange vor ihm, ohne daß er meine Anwesenheit bemerkt hätte.

Der Herr ist schwer krank!" sagte die Wärterin, die vor einer Tasse Kaffee in dem alten Lehnstuhl saß.Sehen Sie nur" und sie fuhr sich mit der Hand unter ihrer Mütze hin und her, als wolle sie andeuten, daß es auch unter der Hirn­schale des Kranken nicht in Ordnung sei alle die lackirten Stiefelchen habe ich dem Bette gegenüber in die Reihe stellen müssen, und es wollte immer doch nicht richtig werden, bis ich endlich dort das eine Pärchen oben an und dann noch wieder eine Hand breit vor den anderen hinausgerückt hatte. Du lieber Gott, so kleine Füßchen und so viele schöne Stie­felchen!"

Die Alte mochte dies etwas laut ge­sprochen haben, denn Archimedes fuhr mit beiden Händen an sein Gesicht und zupfte daneben in die Luft, als säße sein armer Kopf noch zwischen den steifen Vatermördern, die er in gewohnter Weise in die Richte ziehen müsse; dann schlug er die Augen aus und blickte um sich her. Du?" sagte er, und ein Anflug seines alten verbindlichen Lächelns flog um seinen Mund.Trefflich, trefflich!"

Er hatte das kaum verständlich hin- gemnrmelt; aber plötzlich richtete er sich auf, und mich wie mühsam mit den Augen fassend, sprach er vernehmlich:Ich wollte dir doch etwas sagen! Weißt du es denn nicht? Du mußt mir helfen; ich wollte dich darum holen lassen. Ja so! Ich glaube" er stieß diese Worte sehr scharf hervores hätte etwas aus mir werden können; nicht wahr, du bist doch auch der Meinung? Ich habe da­rüber nachgedacht."

Er schwieg eine Weile; dann warf er heftig den Kopf auf seinem Kissen hin und her.Pfui, pfui, man soll seine Eltern ehren; aber, weißt du ... auf meines Vaters Gesundheit kann ich doch nicht

Der Herr