S t orm: Der Herr Etatsrat h.
Freundes Hingetrieben hätte, es waren vielmehr geschäftliche Dinge, und nicht der angenehmsten Art. Die Begräbniß- kosten und die Forderungen des Haus- wirths waren durch Herrn Käfer in irgend einer Art geordnet; aber jene während der dem eigentlichen Krankenlager vorangehenden Gemitthsstörung zusammengekauften Gegenstände waren zum größten Theile von dem Verstorbenen unbezahlt gelassen. Zwar hatten später die Verkäufer dem Herrn Etatsrath ihre Rechnungen eingesandt, aber es war darauf weder Geld noch Antwort erfolgt. Nun hatten sie dieselben noch einmal ausgestellt und mir, den sie als Freund und Landsmann ihres Schuldners kannten, mit der Bitte uni Verwendung bei dem Vater übergeben.
Bei meinem Eintritt in den Hausflur sah ich eine weibliche Gestalt mit einer blauen Küchenschürze, als wolle sie nicht gesehen werden, durch eine Hinterthür verschwinden; ob es eine Magd, oder wer sie sonst war, vermochte ich so rasch nicht zu erkennen. Da ich indessen den braunrothen Kopf des Herrn Etatsraths von der Straße aus in einem der unteren Zimmer bemerkt hatte, so Pochte ich, da sich sonst Niemand zeigte, ohne Weiteres an die betreffende Zimmerthür. Es erfolgte jetzt etwas wie das Brummen eines Bären aus einer dahinter liegenden Höhle; ich nahm es für ein menschliches „Herein" und fand dann auch den Herrn Etatsrath im Lehnstuhl an seinem mit Papieren bedeckten Schreibtisch sitzen, wo ich ihn vorhin durchs Fenster erblickt hatte. Ihm zur Seite stand ein kleiner Tisch, darauf eine Krystallflasche mit Madeira und ein halbgeleertes Glas. Als ich näher trat, sah er mich eine Weile mit offenem Munde an; dann langte er hinter sich nach einem Schränkchen und brachte ein zweites Glas hervor, das er sofort füllte und nach der anderen Seite des Tisches schob.
„Sie sind der Sohn des Justizraths,"
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begann er; „aber setzen Sie sich, junger Mann! Sie waren der Freund meines unvergeßlichen Archimedes; Sie werden das zu schätzen wissen!"
Ich gab dem meine Zustimmung und erzählte, den Tod und die vermuthliche Todesursache des Verstorbenen übergehend, von der Gewissenhaftigkeit, womit er unter allen Umständen und bis zuletzt seine Studien betrieben hatte, und von mancher freundlichen Aeußerung seiner Fachprofessoren, welche nach seinem Tode mir zu Ohren gekommen war.
Der Herr Etatsrath hatte indessen sein Glas geleert und wiederum gefüllt. „Junger Mann," sagte er, „erheben wir den Pocal und trinken wir auf das Ge- dächtniß des ersten Mathematikus unseres Landes; denn das war mein Archimedes schon jetzt in seinen jungen Jahren! Ich, der ich denn doch ein ganz anderer Gewährsmann bin als jene soeben von Ihnen in Bezug genommenen Professoren, ich selber habe ihn geprüft, als der Selige zum letzten Mal in diesem Hause weilte. Wenn ich sage: geprüft, so will das Wort sich eigentlich nicht schicken; denn mein Archimedes war der Größere von uns Beiden!" — Und seine Blicke legten sich wie drückende Bleikugeln auf die meinen, während er mit mir anstieß und dann in einem Zug sein Glas heruntergoß.
Damals fürchtete ich mich noch nicht vor einem tüchtigen Trunk. „In msmo- iMm" sprach ich und folgte seinem Beispiel. Der Herr Etatsrath nickte und schenkte die Gläser wieder voll. „Sie haben," Hub er aufs Neue an, „Ihren großen Commilitonen mit allen studentischen Ehren zu seiner letzten Ruhestatt begleitet; so verhielten wir es auch zu meiner Zeit; besonders bei unserem Consenior, den wir Mathematiker ,Rhomboides< nannten! Er war ein Rheinländer; aber der Wein war bei ihm ein überwundener Standpunkt; er trank des Morgens Rum
