Heft 
(1881) 299
Seite
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Geuse: Mozart's Bildnisse.

konnte bisher nicht ermittelt werden. Wenigstens aber verdanken wir diesem unbekannt gebliebenen Porträt einen sehr werthvollen Bries des Vater Mozart. Jener Pater Martini hatte nämlich auch des Vaters Bildniß gewünscht, und mit Beziehung darauf schrieb dieser in dem­selben Briefe, in welchem er die Absendung des Porträts seinesWolfgangerl" an­zeigte, Folgendes:

In Rücksicht meines Porträts glaube ich nicht, daß mein Gesicht verdient, zu Männern von Talent gestellt zu werden. Doch wenn Sie es verlangen, so werde ich trachten, Ihnen Genüge zu leisten; aber ohne daß ich mir ein anderes Ver­dienst beimäße, als daß ich meine Pflicht erfüllet, das Talent zu bilden, das der gütige Gott meinein Sohne gegeben hat."

Nun, diese Pflichterfüllung, welche der bescheidene Mann sich als kein so großes Verdienst anrechnen wollte, hat dennoch nicht wenig dazu beigetragen, der ganzen gebildeten Welt die reinsten und dauernd­sten Genüsse zu bereiten!

Die Art und Weise, wie der Salzbur­ger Vicecapellmeister das Talent seines Sohnes von dessen frühester Kindheit an beobachtete und leitete, bildet einen höchst interessanteil Theil in Mozart's Lebens­geschichte. Nur in einem Falle, bei wel­chem wir in die frühere Zeit zurückgreifen müssen, setzt uns der treffliche Mann in einiges Erstaunen. Es war im Jahre 1768, als Vater Mozart mit seinem Sohne in Wien war und es durchzusetzen suchte, daß von diesem bereits eine Oper (sie hieß:Ua 6nw sempliss") zur Auf­führung kommen sollte. Und der dreizehn­jährige Wolfgangerl sollte sie auch selbst dirigiren! Das allzu kühne Unternehmen des eifrigen Vaters scheiterte an verschie­denen Umständen, vor Allem wohl an der zu großen Jugend des Componisten. Zu einer Oper gehörte denn doch außer dem merkwürdigen musikalischen Genie etwas mehr Erfahrung nnd größere Reife des Verstandes. Aber der gute Vater hatte durch das Glück über sein Wunderkind, wohl auch durch seinen erklärlichen Wunsch, seine Lebensverhältniffe etwas zu ver­bessern, in diesem Falle die Objectivität des Urtheils eingebüßt, die ihn in späterer Zeit so sehr auszeichnete. Er war wüthend über alle die Hindernisse und Jntriguen,

die der Laufbahn seines Wolfgangerl sich entgegenstellten, bis endlich die Sache definitiv aufgegeben wurde. Des Vaters Briefe aus dieser Zeit* sind voll bitterer Klagen und voll Anschuldigungen gegen die Hauptbetheiligten. In dem einen die­ser Briefe er ist vom 11. Mai 1768 aus Wien datirt kommt ein sehr sonder­barer Satz vor. Er erwähnt darin die Aussichten, die ihm gemacht waren, mit dem Wolfgangerl eine Reise nach Italien zu machen, und fährt dann fort:Oder sollte ich vielleicht in Salzburg sitzen, in leerer Hoffnung nach einem besseren Glücke seufzen, den Wolsgangerl groß werden und mich und meine Kinder bei der Nase herumführen lassen ... bis der Wolfgangerl in die Jahre und das Wachsthum kommt, die seinen Verdiensten die Verwunderung entziehen?"

Wenn damals der Blick des Vaters, der mühselig genug für das materielle Wohl seiner Familie zu sorgen hatte, noch nicht über dasWunderkind" hinaus­reichte, so tritt doch in seinen späteren Briefen seine Einsicht und Urtheilskrast immer bedeutender hervor. Ganz beson­ders gilt das von jenen Briefen, die er Ende des Jahres 1780 nach München schrieb, eben in jener Zeit, als Mozart dort zur Einstudirnng seiner ersten Oper war, welche in diesem Jahre ihr hundert­jähriges Jubiläum gefeiert hat. Rüh­rend ist es, wie der Vater von Salz­burg aus ihm stets berichtet, wer Alles sich lobend über das Werk schon ausge­sprochen, ja endlich, wie die ganze Stadt schon voll davon sei. Aber daneben ver­gißt er nicht, aus seinen Lebenserfahrun­gen allerlei gute Rathschläge und Ermah­nungen für den Sohn einzupacken. So erinnert er ihn am 11. December, er möge bei seiner Arbeit nicht einzig und allein an das musikalische, sondern auch an das unmusikalische Publikum denken: Du weißt, es sind hundert Unwissende gegen zehn wissende Kenner; vergiß also das sogenannte Populäre nicht, das auch die langen Ohren kitzelt." Und zwei Wochen später ermahnt er ihn, er möge nur ja das Orchester bei guter Laune zu

* Die darauf bezüglichen Briefe von Leopold Mozart sind sehr vollständig in L. Nohl's Buch: Mozart nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen" (Leipzig 1880), enthalten.