Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
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ein japanisches Theehaus zu gehen und dort bis tief in die Nacht hinein mit japanischen Kaufleuten und Offizieren zu poeuliren und zu lärmen. — Die meisten Europäer spielen bei solchen Gelegenheiten die Großmüthigen, indem sie die ganze Zeche für sich und die japanische Gesellschaft bezahlen. Nicht so Wirgman. Er prüfte die Rechnung aufmerksam und zahlte fein Theil davon: nicht weniger, aber auch nicht mehr. — Die Japaner hatten ihn lieb gewonnen und waren vertrauter mit ihm als mit irgend einem anderen Fremden. Jedermann in Pokohama und in der Umgegend kannte „Ekakakisan" — den Herrn Maler —, und man begrüßte ihn freundlich, wo immer man ihn antraf. Wirgman war deshalb auch während der Jahre von 1860 bis 1870 der einzige Europäer, der bei Tag und bei Nacht, in Yokohama sowohl wie auf dem Lande, unbewaffnet einherzugehen wagte, wennschon er, wie er unverhohlen erklärte, eine principielle Abneigung gegen jede Lebensgefahr hatte.
Im Jahre 1862 wurde Wirgman von der Redaction seines Blattes nach England zurückberufen. Der glückliche Mensch besaß ein so leichtes Herz, daß ihm der Abschied von Japan, wo er sich köstlich amüsirt hatte, wo ihm Alles gefiel: Land, Leute und Leber: — daß ihm dieser Abschied nicht einmal schwer wurde. — Aber in England bekam er Heimweh nach der ungebundenen Freiheit, deren er in Japan genoffen hatte. Eines Tages, als er trübselig und in sich gekehrt im Hyde- park spazieren ging, begegnete ihm William Macdonald, der zweite Secretär der englischen Gesandtschaft in Aeddo. Die Beiden kannten sich von Japan her. Macdonald erzählte feinem Freunde Charles, daß er in wenigen Stunden nach Paris abreise, um von dort aus über Marseille und Suez nach Japan zurückzukehren.
„Sie sollten mich nach Paris begleiten," sagte Macdonald. „Wir würden uns dort Zwei Tage gut unterhalten."
Wirgman erwiderte, er habe nur fünf Pfund in der Tasche, und es sei feine Gewohnheit, stets sein ganzes Vermögen bei sich zu tragen; er müsse deshalb zu seinem Bedauern auf das Vergnügen verzichten, eine Reise anzutreten.
„Das macht nichts aus," antwortete
Macdonald. „Ich borge Ihnen gern, was Sie gebrauchen, um wieder nach London zurückznkehren; und Sie können, was Sie mir schuldig werden, später bei meinem Bankier einzahlen."
Dies leuchtete Herrn Wirgman vollkommen ein. Die Beiden begaben sich in einen Laden in Piccadilly, und Wirgman kaufte dort mit dem Gelde seines Freundes die nothwendigste Leibwäsche und einige Toilettengegenstände, um während weniger Tage außerhalb seines Hauses anständig anstreten zu können. Darauf schrieb er zwei Zeilen an feinen Bruder, bei dem er wohnte, und benachrichtigte ihn, daß er vor Ende der Woche wohl nicht nach Hanse zurückkehren werde. — Er reiste sodann am selben Abend mit dem Dover-Calais-Expreß nach Paris ab.
In Paris entpuppte Wirgman sich als ein außerordentlich liebenswürdiger Reisegesellschafter.
„Begleiten Sie mich nach Marseille," bat Macdonald.
Wirgman war dazu bereit. Er kaufte einige Hemden, Strümpfe und Taschentücher mehr; die kleine Londoner Reisetasche wurde gegen eine etwas größere umgetanfcht, und die Beiden begaben sich nach Marseille. — Dort, und später in Malta, Suez, Ceylon, Hongkong, wiederholte sich dieselbe Scene mit wenigen unwesentlichen Variationen, bis Wirgman, acht Wochen nach dem zufälligen Zusammentreffen mit Macdonald im Hydepark, wohlbehalten und seelenvergnügt in Joko- hama anlangte. Er hatte noch immer die fünf Pfund in der Tasche, die in London sein Vermögen ausgemacht hatten, und sprach mit Stolz von der unglaublichen Anzahl von Hemden, Strümpfen und Taschentüchern, die sein Eigenthnm seien und die er successive in London, Paris, Malta, Aegypten, Indien und China eingekauft hatte. Seinem Cassirer Macdonald händigte er einen „I. O. O." über den nicht unbedeutenden Betrag aus, welchen dieser während der Reise für ihn verausgabt hatte und den er im Laufe der Zeit bis zum letzten Cent zurückerstattete.
Während eines Jahres Pflegte Wirgman noch in unregelmäßigen Zwischenräumen zu versichern, daß er nach London zurückkehren müsse und wolle; in seinen: Zimmer daselbst befänden sich angesangene