Lindau: Reisc-Erinner ungen.
lich gesehen und mich an seinem Anblick erfreut. Wenn ich in Gesellschaft junger, frischer Genossen weite Ausflüge durch das schöne Land machte, so verloren wir ihn selten aus den Augen; er war unser Wetterprophet und unser Wegweiser, das Bekannte, Vertraute in dem fremden Lande. Der Fusiyama ist ein Stück aus meiner Jugend, und seitdem ich nun von Japan fortgegangen bin und mich am anderen Ende der Welt niedergelassen habe, muß ich oftmals mit einer Art Heimweh an ihn zurückdenken, wie an die Verkörperung der freiesten und thaten- freudigsten Zeit meines Lebens.
Wkoljama.
Dokohama glich im Jahre 1861 einem großen Dorfe. Die meisten Häuser, die der Eingeborenen sowohl wie die der Europäer, waren im japanischen Stile gebaut. Die fremden Consulate, an den Flaggen kenntlich, die darüber wehten, sahen wie große Schuppen aus. Das Hauptgebäude der Niederlassung, einem japanischen Tempel nicht unähnlich, das sogenannte „6u8tom-8ou86", worin die Zollabfertigungen stattfanden und der Gouverneur von Yokohama die fremden Beamten empfing, machte einen stattlichen Eindruck
— jedoch wohl nur deshalb, weil in der Umgebung Alles so klein und geringfügig war. Aber der Anblick von Yokohama war ein überaus freundlicher. Seine herrliche Lage an dem großen Golfe von Jeddo, in einem fruchtbaren, durch freundliche, dichtbewaldete Hügel begrenzten Thale, in das der mächtige Fusiyama gleichsam beschützend herabschaut, lud zur bleibenden Niederlassung gastlich ein. — Die großen breiten Straßen von Joko- hama waren im Jahre 1861 nur wenig belebt. Auf dem „Bund", der Hafenstraße, allein drängten sich die keuchenden „bUrmollo" (japanische Lastträger), mit dem Laden und Löschen der Kauffahrer beschäftigt, die sich im Hafen auf ihren Ankern wiegten. Sie wurden von chinesischen „6oäown-m6n^ (Aufseher der Waarenspeicher) überwacht, die in ihrer Ruhe und Gelassenheit inmitten des schreienden Gewühls wie die Aristokraten dieser ostasiatischen Gesellschaft erschienen.
— Die Fremden, die man beritten oder
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zu Fuß auf dem „Bund" erblickte, die meisten von ihnen Amerikaner oder Engländer, machten einen guten Eindruck. Es waren größtentheils junge Leute mit wettergebräunten Gesichtern und klaren kühnen Augen, die in ihrem ganzen Auftreten die eigenthümliche Ruhe und Sicherheit Derjenigen zur Schau trugen, welche in früher Jugend den Kampf um das Dasein begonnen und sich durch eigene Kraft eine Stellung in der Gesellschaft erworben haben, die sie bereit sind gegen Jedermann all oomsi-s" kämpfend
zu behaupten.
In den Jahren 1859 bis 1869 hatte der junge Kaufmann von Jokohama nur wenig mit seinem europäischen Be- rufsgenosseu gemein. Er war nicht so „ehrbar" und „solide", wie viele von diesen es sind; dagegen fand man auch keinen Geldprotz, nichts Geckenhaftes und im Allgemeinen nur wenige derjenigen Eigen- thümlichkeiten bei ihm, welche viele junge Kaufleute der amerikanischen und europäischen Großstädte charakterisiren und den sogenannten „Handlungsbefliffenen" zu einem nicht gerade sympathischen Typus der Gesellschaft machen. — Der europäische und amerikanische Kaufmann von Yokohama, der jüngere Bruder der „lAkrakmiw krin668" von China und Indien, war wie diese emsig bemüht, Geld zu verdienen — aber nicht von seiner nächsten, weißen Umgebung, mit der er nur in den seltensten Fällen in geschäftlichen Conflict gerieth, —- sondern auf Kosten der Eingeborenen, denen er eine gesellschaftliche Gleichstellung nicht zuerkannte und die in ihrem Herzen, trotz aller zur Schau getragenen Freundlichkeit, einen Gegner in ihm erblickten, den es erlaubt war auszuplündern, wenn dies ohne Gefahr geschehen konnte. — Es ist auch zu bemerken, daß das Geschäft in Japan damals noch neu war und daß ein nicht geringer Grad von „Findigkeit" dazu gehörte, es auszubeuten. Es handelte sich darum, den Reichthum des Landes zu studiren, in den Producten desselben Artikel für das Exportgeschäft zu entdecken und auf der anderen Seite die Bedürfnisfe der Eingeborenen kennen zu lernen oder ganz neue Bedürfnisse für sie zu schaffen, um dieselben sodann unter möglichst vortheilhaften Bedingungen zu
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