Heft 
(1881) 299
Seite
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte,

Yokohama japanische Curiositäten einzu­kaufen, von Lonin überfallen und nieder­gehauen worden.

Am 6. November desselben Jahres hatte ein Japaner den Diener des Herrn Jos« Loureiro meuchlings erstochen. Loureiro, ein Portugiese von Geburt, der damals den Posten eines französischen Consuls be­kleidete, war mein Nachbar. Ich sehe ihn noch, wie er mit bleichem Gesicht in mein Zimmer trat und mir die Nachricht von dem soeben verübten Verbrechen brachte. Ich hals den tödlich verwun­deten Diener in das Haus seines Herrn tragen, wo er nach wenigen Minuten verschied.

Am 29. Januar 1860, als ich in Jeddo der Gast des englischen Ministers Sir Rutherford Alcock war, wurde dessen japanischer Dolmetscher, Den-Kuschki, in der Dämmerungsstunde am Fuße des Mastes, auf dem die englische Flagge wehte, von einem Lonin medergestochen. Ich hatte an jenem Tage mildem englischen Legationssecretär Abel Gower einen Ritt durch Jeddo gemacht, und Den-Kuschki war wenige Minuten, ehe wir die Ge­sandtschaft wieder erreichten, getödtet worden. Sir Rutherford Alcock war über die Frevelthat in hohem Grade entrüstet und bot alle ihm zu Gebote stehenden Mittel auf, um der Mörder habhaft zu werden. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Die japanische Re­gierung drückte ihr Bedauern über den Vorfall aus, mehrere hochgestellte Beamte wohnten der Beerdigung von Den-Kuschki bei, aber die Verbrecher wurden nicht gefunden oder wenigstens nicht namhaft gemacht.

Auch die Ermordung der holländischen Schiffscapitäne Voß und Decker fällt noch in die Zeit meines ersten Aufenthaltes in Aokohama. Der Tod dieser beiden Hollän­der und die Ermordung des Amerikaners Heusken und der Engländer Richardson, Baldwin und Bird, die einer etwas späteren Zeit angehören, sind Ereignisse, welche die düstere Seite des Lebens in den Vertragshäfen von Japan während der ersten sechziger Jahren charakterisiren. Ich will sie hinter einander aufzeich­nen, um mich später den angenehmen Erinnerungen ungestörter hingeben zu können.

Die Ermordung der holländischen Schiffscapi- täne Decker und Goh in Yokohama am 26. Ieöruar 1860.

Das Wetter war schlecht. Seit dem frühen Morgen goß der Regen in Strömen, und es stürmte heftig. Ich hatte mein Zim­mer in Aokohama während des ganzen Tages gar nicht verlassen und ruhig und ungestört von früh bis spät an den Briefen gearbeitet, die ich am nächsten Morgen mit dem englischen DampsbootAzoff" über Shanghai nach Europa befördern wollte. Um sechs Uhr hatte ich gegessen, dann meine Briefe zugesiegelt und um halb acht Uhr meinen Revolver umge­schnallt und den Diener gerufen, damit er mich mit einer Laterne durch die nicht erleuchteten, schmutzigen Straßen nach der Post begleiten möge.

Draußen sah es unfreundlich aus. Die Nacht war schwarz, und der Sturm, der heulend, kalt und naß über die weite Bai gezogen kam, fegte durch die breiten, öden Straßen und umkreiste mit lautem Getöse unsere leichten hölzernen Häuser. Ich drückte mir deu Hut fest ins Gesicht, knöpfte mir den Rock zu, trieb den Diener zur Eile an und schritt hastig meinem Ziele zu.

Die Post befand sich damals am west­lichen Ende der Hauptstraße von Jokohama. Diese Straße war durch ein starkes höl­zernes Thor, an dem japanische Soldaten Wache hielten, in zwei ziemlich gleiche Theile geschieden: ans der Ostseite wohnten die japanischen Kaufleute, auf der West­seite befand sich die Fremdenniederlassung. Mein Weg führte mich in die Nähe dieses Thores. Aus einer dunklen Gasse tretend, war ich überrascht, vor mir eine große Anzahl von Fackeln und Laternen zu sehen, die sich alle in großer Eile nach einem Punkte des Ostendes hin bewegten. Ich blieb einen Augenblick stehen, un­schlüssig, ob ich meinen Weg nach der Post fortsetzen oder der entgegengesetzten Rich­tung folgen sollte. Ein vorübereilender Japaner rief meinem Diener einige Worte zu, die ich nicht verstand.

Was gieblls?" fragte ich.

In demselben Augenblick kam ein junger Holländer, den ich genau kannte, Herr Eduard Schnell, dahergelaufen. Er trug in der einen Hand eine Laterne, in der