Heft 
(1881) 299
Seite
600
Einzelbild herunterladen

600

Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

Man hatte sofort die Thore von Yoko­hama geschlossen, und auf allen Wegen, die zur Stadt führten, wachten Soldaten. Die Mörder befanden sich wahrscheinlich noch in der Stadt, und einige ängstliche Leute fürchteten, daß sie dasksttlsmont" während der Nacht überfallen und in Brand stecken würden. Alle waren der Meinung, daß es rathsam sein würde, die in Jeddo residirenden Minister von England, Frankreich und Amerika sofort von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu setzen.

Ich übernahm es, die Botschaft nach Aeddo zu bringen, und verließ Jokohama Nachts um zwölf Uhr, gut beritten, von Schnell und außerdem von einem japanischen Offizier begleitet, den der Gouverneur von Yokohama uns als schützende Begleitung mit auf den Weg gegeben hatte. Bevor wir noch die Stadt verlassen hatten, passirte uns ein Unfall. Als wir durch die große Straße ritten, wo Voß und Decker ermordet worden waren und in der nun dunkle Nacht und unheimliche Stille herrschten, scheuten unsere Pferde vor den Blutlachen, aus denen man die Leichname der Er­mordeten gehoben hatte. Der japanische Offizier fiel vom Pferde und zerbrach dabei die Laterne, die er am Sattel be­festigt hatte. Schnell kam mit heiler Haut davon; ich aber prallte mit meinem Pferde so heftig gegen ein Haus, daß ich mir das linke Bein verletzte und meinen Revolver verlor. Es dauerte eine volle halbe Stunde, ehe sich der Offizier eine neue Laterne verschafft und ich meine Waffe wieder­gefunden hatte. Gleich darauf, als wir das niedrige Stadtthor von Yokohama passirten, bückte ich mich nicht tief genug auf den Hals des Pferdes, und da es stockfinster war, stieß ich mit dem Kopfe so heftig gegen den Querbalken des Thores, daß ich vom Pferde fiel und mehrere Mi­nuten anhalten mußte, bevor ich weiter reiten konnte.

Der Weg von Yokohama nach Aeddo ist gut unterhalten. Er führt jedoch nicht weit von Aokohama und während einer langen Strecke über einen nur wenige Fuß breiten Damm, der von beiden Seiten vom Meere bespült wird. Wir konnten in der Dunkelheit dies Stück Weges nicht anders als im Schritt Passiren und laugten erst

gegen zwei Uhr Morgens in dem dreiviertel Meilen von Jokohama entfernten Kana- gawa an.

Ich stattete dort dem amerikanischen Consul Bericht von dem Doppelmord ab und ruhte mich dann in dem Tempel des holländischen Consuls aus, wo ich mir auch mein Bein verbinden ließ. Gegen fünf Uhr Morgens erst war ich im Stande, die Reise fortzusetzen, auf der mir weiter nichts Erhebliches passirte. Wir ritten bei Tagesanbruch durch das große Dorf Kawasaki, wo man im Theehause bereits alle Einzelheiten der Ermordung kannte, setzten sodann auf einer Fähre über den Fluß Lokuugo, der das Gebiet von Jeddo von dem von Jokohama trennt, passirten in scharfem Trabe den Vergnügungsort Omori und die übelberüchtigte Vorstadt Sinagawa und stiegen um sieben Uhr Morgens im Tempel Todenji bei dem englischen Minister ab. Ich erzählte die­sem und später seinen Collegen von Frank­reich und Amerika sowie auch dem hollän­dischen Consul, der sich znm Besuch in Aeddo befand, was ich von der letzten Mordthat gesehen hatte und wußte. Der holländische Consul begab sich sofort nach Yokohama, und die fremden Minister hiel­ten eine Versammlung ab und beriethen, welche Maßregeln zu treffen seien, um das Verbrechen zu rächen und fernerem Unheil vorzubeugen.

Ich langte am folgenden Abend wieder in Jokohama an. Man hatte Leichen­schau über Voß und Decker gehalten und constatirt, daß jeder von ihnen mehr als zwanzig Wunden erhalten hatte, die alle tödlich waren.

Der holländische Consul, Herr von Polsbroek, von seinen Collegen und den in Jeddo residirenden fremden Ministern auf das energischste unterstützt, ließ nichts unversucht, um die Mörder seiner un­glücklichen Landsleute zur Strafe zu brin­gen; seine Bemühungen blieben ebenso erfolglos, wie es wenige Monate vorher die von Sir Rutherford Alcock gewesen waren, als es sich darum handelte, den Mörder von Den-Kuschki zu entdecken. Die japanische Regierung beqnemte sich nach einigem Sträuben, eine nicht unbe­deutende Summe Geldes für die Wittwen der Ermordeten anszuzahlen. Das war die einzige Sühne für das schwere Verbrechen.