Heft 
(1881) 299
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Lindau: Reise-Erinnerungen.

Schritte davon, den Rücken gegen die Wand eines Hauses gelehnt, einen Re­volver in der schlaff herabhängenden Hand, verglasten Auges um sich starrend, saß Heusken in einer Blutlache.

Reitet schnell nach Dsen-Fudsi (dem amerikanischen Gesandtschaftshotel) und schafft Hülse," murmelte er.

Die Offiziere führten den Auftrag des sterbenden Mannes getreulich aus; und Heusken wurde bald darauf auf einer aus einer japanischen Fensterlade impro- visirten Bahre in seine Wohnung ge­tragen. Townsend Harris erwartete ihn dort.

Ich bin ein todter Mann," sagte Heusken mit schwacher Stimme; und nach einer kleinen Weile setzte er mit seinem alten milden Lächeln hinzu:Hori hatte Recht ... ich werde es ihm sagen, wenn ich den Heiden dort drüben antreffen sollte."

Herr Townsend Harris hatte sofort nach der preußischen Gesandtschaft ge­schickt und von dort ärztlichen Beistand erbeten. Herr 1)r. Lucius der jetzige Staatsminister ein Mitglied der preu­ßischen Mission, eilte unverzüglich her­bei; aber menschliche Hülfe war nicht mehr möglich. Heusken verblutete aus zwei tödlichen Wunden: die eine auf der rechten Seite hatte ihm den Leib vom Brustknochen bis zum Hüftbein ge­öffnet; die andere, eine Stichwunde auf der linken Seite der Brust, hatte ebenfalls edle Theile unheilbar verletzt. Heusken war noch bei Besinnung, aber schon ohne Puls. Während v,-. Lucius bemüht war, die Blutung zu stillen, sprach der Ster­bende noch von seiner Mutter und bat, man möchte ihr seinen Tod schonend mit­theilen. Dann reichte er Townsend Harris, der fast bewußtlos vor Schmerz neben ihm stand, die Hand, reckte die Glieder und verschied.

Aus der Lage, worin man Heusken und sein Pferd gesunden hatte, wurde geschlossen, daß er zum wenigsten von vier, wahrscheinlich aber von sechs oder acht Lonin überfallen worden war. Sie hatten ihm, da sie seine Gewohnheiten kannten, an der Brücke aufgelauert, die er auf dem Wege von der preußischen Le­gation nach der amerikanischen im Schritt passiren mußte. Die Mordthat war aller

Wahrscheinlichkeit nach wohl überlegt und sodann planmäßig ausgeführt worden. Die Bande hatte sich in zwei Theile ge- theilt und zur Rechten und Linken der Brücke aufgestellt. Zwei der Lonin hatten auf das Pferd eingehauen und zwei andere ihre Hiebe gegen Heusken geführt; dann, gewärtig, von den schnell nahenden Be­gleitern Heusken's überrascht zu werden, hatten sie sich in den engen, dunklen Gassen von Jeddo zerstreut und waren dort spurlos verschwunden. Die ganze Hand­lung mochte das Werk weniger Secunden gewesen sein.

Alle Nachforschungen nach den Mör­dern blieben erfolglos. Allgemein nahm man an, es seien Freunde oder Diener von Hori gewesen, die an dem un­glücklichen Heusken den Tod des japa­nischen Patrioten gerächt hätten. Heusken wurde allgemein betrauert. Ich selbst verlor in ihm einen sympathischen Ge­nossen, dem ich viele angenehme Stunden und besonders auch das noch verdankte, Jeddo in drei Monaten so genau kennen gelernt zu haben, als ob ich dort jahre­lang gewohnt hätte.

Die Ermordung Lenor Richardson's auf dem Hokaido am 14. September 1862.

Herr Lenox Richardson, ein Schotte aus angesehener Familie, hatte das Glück gehabt, diegute Zeit" in China aus­nutzen zu können und während eines lang­jährigen Aufenthaltes daselbst ein nicht unbedeutendes Vermögen zu erwerben. Er hatte darauf sein Geschäft in Shang­hai liquidirt und die Rückreise nach Europa angetreten. Seine Absicht war, die Reise um die Welt zu machen, und da er über Aegypten und Indienhin­ausgegangen" war, so wollte er nun über Japan und Amerika heimkehren. Er langte am 10. September in Yokohama an, wo er bei seinem Freunde und Lands­mann Eduard Macpherson abstieg. Durch diesen machte er unter Anderem die Be­kanntschaft von Herrn und Frau Marschall, von Frau Bourradeal, der Schwester der Frau Marschall, und von Herrn Clark, einem jungen englischen Kaufmann, der sich als Seideninspector in Jokohama etablirt hatte.

Richardson hatte lange Jahre in China