Heft 
(1881) 299
Seite
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das Bild beizubehalten, variirt in einzel­nen Ländern beträchtlich. Für die Mehr­zahl der Länder fehlt es noch an der ge­nauen Kenntniß derselben. Um aber einen annähernden Begriff von diesen Verhält­nissen zu bekommen, mag uns die gut geführte Sterblichkeitsstatistik der Stadt New-T)ork ein Beispiel liefern. In dieser Stadt mit allerdings sehr hoher Kinder­sterblichkeit gingen in den Jahren 1866 bis 1874 von je hundert Gestorbenen zu Grunde:

an sogen. Jnfectionskrankheiten (Seuchen rc.) 31,7 constitutionellen Krankheiten .... 22,4

sogen, örtlichen Krankheiten .... 35,5

Entwickelungskrankheiten, im Wochenbett

und an Altersschwäche.6,4

durch Nnglücksfälle aller Art ..... 3,9

99,9

Zu den Jnfectionskrankheiten zählt man insonderheit die sich epidemisch verbrei­tenden Krankheiten, wie die Blattern, die Masern, den Scharlach, die Diphtheritis, den Stickhusten, den Typhus, die Ruhr, die Cholera u. s. w. Zu den constitutio- nellen Krankheiten gehören die scrophnlö- sen Krankheitsformen, die Schwindsüchten, die Krebskrankheiten, die Gicht, die Bluter­krankheit u. s. w. Als örtliche Krank­heiten bezeichnet man diejenigen, welche vorzugsweise ein einzelnes Organ befallen, wie die Lungenentzündung, die Gehirn­erweichung, die Unterleibsentzündung, das Beingeschwür, die Nierenentzündung n. s.w. Aber ein großer Theil dieses Corps wird nur von Mannschaften des zweiten Corps, den constitutionellen Krankheiten, gebildet. Er trägt nur besondere Uniformabzeichen. Und zählen wir diesen Theil dem letzte­ren, wie es geboten ist, zu, so erreicht jenes zweite Corps eine die übrigen ent­schieden überragende Stärke.

Diese Feinde bedrohen seit jeher und heute noch das inenschliche Leben, und welche Masse von Opfern sie zum großen Theil schon in frühen Lebensjahren for­dern, geht ans den obigen Zahlen hervor. Aber wie es scheint, beginnt die Wissen­schaft und das rastlose Streben ihrer Ver­treter ihre Macht in etwas zu brechen. Könnte man die heutigen Tages von je 10000 Lebendgeborenen in «umma durch­lebten Jahre genau mit der Anzahl der vor zwanzig bis dreißig Jahren von eben­falls je 10 000Lebendgeborenen durchlebten

sche Monatshefte.

Jahre vergleichen, so würde sich aller Wahr­scheinlichkeit nach ein für die ersteren sehr günstiges Resultat ergeben. Wie viel kindliche Leben durch die richtigere Er­nährung derselben, durch die vortrefflichen städtischen Knhmilchanstalten u. s. w. er­halten werden, wie viel andere kindliche Leben durch die verdienstvollen Werke der öffentlichen Gesundheitspflege in Schule und Haus vor Krankheit bewahrt bleiben, läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Aber die Thatsache unterliegt kaum einem Zwei­fel. Durch die verständnißvollere ärztliche Behandlung des Typhus und die Vernich­tung seiner Entstehnngsherde ist die Zahl der von ihm geraubten Opfer zweifellos herabgesetzt. Durch die großartigen Fortschritte der Chirurgie und die anti­septische Wundbehandlung, durch die Ueber- tragung der Principien der letzteren auf das Gebiet der Gebnrtshülfe werden heutigen Tages Tausende von Leben verlängert, welche noch vor zwanzig Jahren vielleicht rasch geknickt wären. Mit Recht darf sich die Medicin der beiden letzten Jahrzehnte dieser Fortschritte rühmen, und je weiter die Lehren der öffentlichen Gesundheits­pflege in Haus und Schule, Werkstatt und Lazarett) Vordringen, je mehr die Begriffe einer rationellen Diätetik zum Allgemeingut der Aerzte werden, um so größer noch werden diese Fortschritte wer­den. Und wie viel Elend und Krank­heit würde verhütet werden, wenn jener Grad von sittlicher Tüchtigkeit erreicht wäre, welcher als das höchste Ziel der Edelsten der Nationen ersehnt und erstrebt wird, einer Sittlichkeit, die das Leben des Einzelnen verschönt und die Kraft der Nationen um ein Ungeheures stählt! In dieser Beziehung ist es nur zu wahr, daß ein Jeder nicht nur seines Glückes, son­dern vor Allem auch seiner Gesundheit Schmied ist.

Aber an ein Gebiet jener feindlichen Mächte reichen all' diese Fortschritte der Wissenschaft, alle die segensreichen pro­phylaktischen Maßnahmen und auch die, so Gott will, zunehmende sittliche Tüch­tigkeit der Gesammtheit kaum oder gar nicht heran. Dies ist das Gebiet der con­stitutionellen Krankheiten. Hier ist die Kunst relativ noch am machtlosesten, und wenn hundertfach der Chirurg das schließ- liche ungünstige Resultat oder die Nutz-