Heft 
(1881) 299
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

zu werden verdient, die Kinder verweilen dort nicht nur Wochen, sondern meistens Monate und oft selbst zwei bis drei Jahre. Der Unterricht der älteren Kinder wird dabei nicht vernachlässigt. Als nächstes Land folgte Dänemark mit der Errichtung eines Hospizes in Refnaes (1875), ziem­lich gleichzeitig Holland mit der Errich­tung zunächst einer Baracke und bald da­rauf derSophia-Stiftung" mit hundert Betten in Scheveningen (eröffnet 1880). Endlich werden gegenwärtig auch in Belgien, und zwar in Ostende, infolge eines Vermächtnisses von einer halben Million Francs an die Stadt Brüssel die ersten Vorbereitungen zu einem großartigen Etablissement getroffen. Dasselbe soll wesentlich in Form einer sogenannten Feriencolonie eingerichtet werden, eine ländliche Schule an den Ufern des Mee­res bilden, zugleich aber auch schwerer er­krankten Kindern Aufnahme gewähren.

Ueber die trefflichen Erfolge des Auf­enthalts der Kinder an der See und zum Theil des Seebades (namentlich in Ita­lien) herrscht nur eine Stimme, und wenn der Verfasser dieser Zeilen mit aller Wärme dafür eintritt, daß endlich auch Deutschland in die Reihe der mit Seehospizen ansgestatteten Länder ein- treten möge, so darf er wohl daran er­innern, daß dies nicht nur ein Bestreben ist, dem schönen Beispiel anderer Nationen zu folgen, sondern daß ihn die eigenste Anschauung und Erfahrung in Margate schon im Jahre 1850 getrieben hat, in einer wissenschaftlichen Arbeit* die außer­ordentlichen Resultate, welche an diesen Anstalten gewonnen werden, darzulegen und hervorzuheben. Mag ans jener Ar­beit besonders erwähnt werden, daß Mar­gate in Bezug aus die allgemeinen Ge­sundheitsverhältnisse ähnliche, wenn auch nicht ganz so erfreuliche Verhältnisse dar­bietet wie Norderney; daß die kranken Kinder dort vielfach monate- und in zwei Privatanstalten selbst jahrelang verweilen, daß sie also dort auch überwintern; daß ferner auch bei den schwersten scrophulösen

*Zur Physiologie und Pathologie des phos­phorsauren und oralsauren Kalkes, nebst Bemerkun­gen über den Gesundheitszustand der englischen Küstenstadt Margate und einige dort an scrophu­lösen Kranken gemachte Beobachtungen." Göttin­gen 1850.

Knochen- und anderen Leiden kaum ein an­deres Heilmittel angewandt wird als eben nur die Seeluft und im Sommer meistens auch das Seebad. Wir erkennen aus den Erfahrungen in Berck sur mer sowie in Margate, wie nothwendig in vielen Fällen eben der verlängerte Aufenthalt am Meere zur Beseitigung schwerer Krank­heitsformen erachtet wird, und ans diese Erfahrung muß mit allem Nachdruck auch für unsere Bestrebungen in Deutschland hingewiesen werden.

In Deutschland besitzen wir erst kleine Anfänge von Seehospizen an der Nord­see. Das erste derselben, die sogenannte Diakonissenanstalt ans Norderney, welches gegenwärtig viernndzwanzig Betten zählt, verdankt seine Entstehung im Jahre 1876 der rühmlichen Initiative des Grasen zu Inn- und Knyphansen auf Lütetsburg und des Pfarrers Rodenbaeck aus Norderney. Es wurden im Jahre 1877 20 Kinder, 1878: 34, 1879: 37, 1880: 47 Kinder in die Anstalt ausgenommen. Dieselbe ist zugleich bestimmt, erkrankten Diakonissinnen eine Heilstätte darzubieten, und besitzt ein Local für eine Kleinkinderschule für Nor­derney. Ein zweites Seehospiz ist ans der Insel Föhr von Seiten der Diako­nissenanstalt in Flensburg errichtet. Es wurde dasselbe erst im verflossenen Jahre eröffnet und besitzt nach Prof. Uffelmann's Mittheilung achtzehn Betten.

War es unter diesen Umständen ein unberechtigtes Unternehmen, wenn im verflossenen Jahre ein Comits von Män­nern aus den verschiedensten Berufsclassen zusammentrat, um die Errichtung von See­hospizen an den deutschen Nordseeküsten in größerem Umfange zu fördern? Soll Deutschland allein in Betreff dieser segensreichen Anstalten hinter allen benach­barten Ländern Zurückbleiben? Aber der erste Aufrnf des Comites hat so freu­digen Widerhall gefunden, daß die Hoff­nung ans eine baldige Realisirung seiner Zwecke vorhanden ist. Auf einer diesjäh­rigen Versammlung des Comitos ist zunächst auf den Antrag von einnndvierzig Aerzten der Ostseeprovinzen beschlossen, daß die Errichtung resp. Erweiterung von deut­schen Seehospizen nicht nur an den Ufern der Nordsee, sondern auch an denen der Ostsee erstrebt werden soll. Als Stätten derselben sind in erster Linie Norderney,