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Benekc: Nordsee! u ft
Borkum, Sylt und Föhr an der Nordsee und Gr. Müritz und Kolberg an der Ostsee ins Auge gefaßt. Die erste größere Anstalt soll, sobald die Mittel dazu vorhanden sind, auf Norderney errichtet werden.
Mögen denn auch diese Blätter dieses Unternehmen in weiten Kreisen bekannt zu machen beitragen und mögen sie ihm Freunde zuführen! Tragen wir auch in Deutschland die erforderlichen Mittel zusammen, um ein schönes und großes Ziel zu erreichen! Erschließen wir endlich die reiche Heilquelle im Norden unseres Vaterlandes der deutschen Jugend, welche durch Schwäche und Krankheit in ihrer Entwickelung gehemmt ist, und lassen wir an die Stelle der Sorge um die Krankheit die Freude über die Genesung treten! — Helfet Alle, die ihr diese Zeilen leset, zur Erfüllung einer großen und nationalen Aufgabe!
Durchdrungen von der Gewißheit, daß die Resultate dieses Unternehmens nur erfreulichster Art sein werden, kann der Verfasser dieser Zeilen aber nicht schließen, ohne sofort noch einem weiteren Gedanken Ausdruck zu geben. — Es wurde oben besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die schwerer erkrankten Kinder in Margate und Berck 8ur msi- nicht nur Wochen, sondern Monate und Jahre verweilen. Gar manche bemittelte Familien auf dein Lande oder in kleineren Städten Deutschlands sind oft genöthigt, ihre Kinder Erziehnngsinstituten und Schulen zu übergeben, welche fern von der Heimath liegen. Gar oft bieten diese Kinder Schwüchezustände und Krankheitserschei- unngen dar, welche die Eltern mit doppelter Sorge bei der Trennung erfüllen, und ebenso oft wird dann, um diese Kinder zu kräftigen, die kurzbemessene Zeit der Ferien benutzt, um die Meeresküste
und Nordscehospizc.
aufzusuchen. — Liegt es bei Ueberlegung all' dieser Verhältnisse nicht nahe, daran zu denken, ein Erziehungsinstitut auf der am leichtesten zugänglichen Insel Norderney selbst zu gründen und die betreffenden Kinder, ohne daß in ihrer Ausbildung etwas vernachlässigt würde, in dieser Weise für Jahre der heilsamen Meeresluft auszufetzen? Kein Gymnasium, kein Erzie- hungsinstitnt würde trefflichere Resultate in Bezug auf die Gesundheit der Schüler und Schülerinnen aufzuweisen haben als ein solches auf der vom Meere umspülten Insel, und die Kosten eines Aufenthaltes in demselben würden nicht größer sein als diejenigen in einem Gymnasium oder einer Erziehungsanstalt des Festlandes. — Der Gedanke, einen Winter auf der Insel zuzubringen, liegt den Bewohnern des Con- tinents noch so fern und ist ihnen so fremd, daß der angedentete Plan voraussichtlich manchem Kopfschütteln begegnen wird. Aber es existiren Gymnasien in Emden, in Norden, in Jever, Städten, die weit weniger gute sanitäre Eigenschaften besitzen als die Insel Norderney selbst und nahe der Küste fast in gleicher geographischer Breite mit dieser liegen. Es existirt, dank den Bemühungen des Prof. Perthes, ein Erziehnngsinstitut selbst auf den Höhen von Davos! Der Beweis von der Salu- brität eines Winteraufenthalts ans Norderney für schwächliche und scrophulöse Kinder sowie für Brustleidende wird, wie ich glaube, nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wird man sich nach allen voranstehenden Mittheilungen sträuben, den hingeworfenen Gedanken aufzunehmen und näher zu verfolgen? — Ein Saatkorn kann der Wind verwehen, aber auch ein fruchtbarer Boden nimmt es oft auf, es keimt und es trägt Früchte. — Ausgestrent ist das Korn. Ob der Wind es verweht? — Die Zukunft wird's lehren.
Monatshefte, N. 299. — August 1881 . — Vierte Folge, Bd. VI. 35.
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