Heft 
(1881) 299
Seite
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Kapp: Zur neuen

Aufschritt zur Kenutuiß der Welt außer ihr das Wissen von ihrer eigenen inneren Welt sich in Selbstkenntniß nmsetzen zu lassen.

Die Schrecken der Eismeere und der Tropen reizen den Wissensdrang mehr als sie ihn dämpfen; die kühne Hantirung mit dem elektrischen Funken vervollkommnet sich zur spielenden Virtuosität für Auge und Ohr; sogenannte genieine Werkzeuge, Spitzhacke und Schaufel, erwecken mythische Culturen aus mehrtausendjähriger Ver­schüttung; die mikroskopische Zerkleine­rungskraft rastet und ruht nicht, um den biologischen Anfängen auf den Grund zu schauen lauter Leistungen menschlicher Willens- und Geisteskraft, die, nach dem ersten Anschein, durch eine neue Entdeckung um so weniger überboten werden können, je mehr, entsprechend dem anfänglich betäuben­den Eindruck ihres Hervortretens, Zweifel und Unglaube die allgemeine Anerkennung zu erschweren pflegen. DemSchauen und Schaffen" des deutschen Genius Pflegt, je ferner er den Fachkreisen steht, die Feuerprobe der Anerkennung am wenig­sten erspart zu sein; doch wird auch die neueste Entdeckung siegreich aus ihr her­vorgehen. /Besteht sie ja in nichts Ge­ringerem als in der durch infallible photographische Erhärtung bewiesenen Thatsache, daß Meteorsteine und Meteor­eisen durchaus nur organischen Ursprungs sind, ja daß der erste Anfang unseres und daher aller Planeten eine organische Bildung war.

Aus Grund der Bestätigung, daß Meteor­steine Pflanzen oder daß wenigstens Pflan­zen in: Meteorstein sind, klingen Ver­muthungen, es könnte das erste Leben unserer Erde auch von einem anderen Planeten übertragen worden sein, weniger seltsam als Aehnliches, was vordem hier­über geäußert worden ist. Doch kann in dieser Beziehung nur Thatsächliches in Betracht kommen. So ereignen sich zwar Meteorsteinfälle nach Chladni's Berech­nung im Durchschnitt für die ganze Erde täglich zweimal, aber Ladungen von mi­kroskopischen organischen Keimen bringen sie nicht mit. Was sie aber mitbringen, das sind glaubwürdige, überzeugende Nachrichten in stein- und eisenfester Bilder­schrift über eine unorganische, in ihrem Bestand der Erdwelt gleiche Schöpfung.

Weltanschauung.

Der Eine, welcher diese Schrift enträthselt hat, ist bemüht gewesen, sie nach schwerer Arbeit auch für Andere lesbar zu machen. In dem Sinne also, in welchem jede Post die Ueberbringerin von Nachrichten und Botschaften ist, mag man auch bild­weise von einer Meteorpost reden. Die Botschaft, welche sie verkündet, wird als Ferment für die Grundlegung einer ver­änderten Weltanschauung allmälig nach ihrer ungeheuren Tragweite gewürdigt werden.

Wir treten nunmehr der Entdeckung selbst näher, vr. O. Hahn in Reut­lingen hat mit seinem Werke über die Meteorite (Chondrite) und ihre Organis­men"* den Zeitgenossen am Schluß des verwichenen Jahres eine wissenschaftliche Gabe gespendet, deren Inhalt von einer der größten Entdeckungen aller Zeiten Kunde giebt. Welch einen glänzenden Zuwachs die Reihe seiner berühmten schwäbischen Landsleute Kepler, Schiller, Schelling, Hegel, Uhland, Strauß, Rob. Mayer an ihm erhalten hat, wird am geeignetsten durch eine kurze Berührung des ganz eigenthümlichen Herganges der Entdeckung belegt werden.

Es war um die Mitte der sechziger Jahre, als von Montreal in Canada die Kunde von einem Fund nach Europa drang, die unter Geologen und Paläontologen das größte Aufsehen erregte. Es sollten näm­lich in einem der in Serpentinkalk des Laurentiangneißes eingebetteten Knollen

* Die Meteorite sind entweder Eisen- oder Steimneteorite und heißen, wenn beide Formen mehr oder minder gemengt erscheinen, Pallasite. Diese sind je nach dem Verwiegen des Eisens sehr verschieden.Eine dritte Classe, die am häufigsten fallenden Meteorsteine, besteht aus einem Gemenge von Körnchen und Meteoreisen, Magnetkies, Chrom­eisen, Titanit, Olivin, Augit, Bronzit, Anorthit, Quarz u. s. w., in welcher Masse sich aufs zahl­reichste eingelagert finden kleinere oder größere Helle kugelige oder bimförmige Kügelchen, scheinbare Krystalldrusen von Kieselverbindungen, Bronzit oder Enstatit genannt. Diese mineralogisch schwierig zu charaktcrisirenden, in chemischer Be­ziehung sehr variablen Steine werden Chondrite genannt. Zuweilen sind diese Chondrite ganz schwarz, und in ihnen wurden amorphe Kohle und bituminöse Stoffe als wahrscheinliche Zersetzungs- producte organischer Verbindungen wahrgenommen, über deren Natur keine Vermuthung gewonnen werden konnte." Rccension des obigen Werkes von Professor I)r. Hermann Karsten in derNatur" Nr. 14 und 15, 1881.

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