628 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
versteinerte Reste eines Thieres erkannt worden sein. Da dessen Beschaffenheit auf die Frühzeit der ersten organischen Schöpfung zurückwies (Eos, die Morgen- röthe), erhielt es den Namen Eozoon, unter welchem es 1866 „auf das erste, noch ganz weiß gelassene Blatt der Naturgeschichte eingetragen" und alsbald unter lebhaftester Discussion Mittelpunkt einer eigenen Literatur wurde. An dem Streit der Gelehrten betheiligte sich O. Hahn, und zwar, trotz anderweitiger Berufs- thätigkeit als Rechtsanwalt, in so hervorragender Weise, daß ihm für diese seine erste Arbeit über das Eozoon, worin er die Ueberzeugung vertheidigte, „daß es ein Thier nicht sei", seitens der naturwissenschaftlichen Facultät der Tübinger Universität die Doctorwürde bonoiM euarm ertheilt wurde. Die aus eine Einladung der Regierung von Canada dahin unternommene Reise gab ihm Gelegenheit, die Schichtenlagerung an Ort und Stelle zu besichtigen und sich in den Besitz einer großen Anzahl von Probestücken des Eozoougesteines zu setzen. Nach seiner Rückkehr ergab die mikroskopische Untersuchung der davon angefertigten Dünnschliffe, „daß derKalkdesLaurentiangneißes von Canada, der ältesten Sedimentsschicht unserer Erde, eine Pflauzenschöpfung enthalte, angehörend der Familie der Algen." Das Eozoon war also nicht Thier, sondern Pflanze und hieß nunmehr Eo- phyllum.
Hiermit war die Bahn zu all' den weiteren staunenswerthen Entdeckungen O. Hahn's eröffnet, über deren ersten Cyklns seine 1879 erschienene Schrift: „Die Ur- zelle", Auskunft giebt. Dieselbe führt, wie der Titel weiter besagt, den „Beweis, daß Granit, Gneiß, Serpentin, Talk, gewisse Sandsteine, auch Basalt, endlich Meteorstein und Meteoreisen aus Pflanzen bestehen" — mithin eine Neubegründung der Entwickelungslehre durch Thatsachen!
Ein seltsam fesselndes Buch! Bei geringer Seitenzahl doch bändeschwer. Keine ermüdende Einführung in der Gala gelehrter Polemik, nur kurze Notizen, mit wem und womit der Leser zu thun bekommt. Dann sofort der verwegene Kopfsprung in die dunkle Fluth urweltlicher Forschung. Kleinod ans Kleinod taucht empor. Kaum daß die Ungeduld der
Siegesgewißheit der Feder und dem Stift eine Pause gönnt, die Ausbeute dingfest zu machen. Härtestem Gestein, durch Schliff gezähmt, entreißt das Mikroskop Bilder der urorganischen Lebendigkeit zu lapidarstilartiger Uebertragung in Wort und Bild. Der harte Stein, er mußte die Wahrheit sagen in entsprechender Form. Das Fragmentarische in der Vorführung des Verlaufes, je nach der Wechselfolge von ahnendem Suchen und untrüglich Schlag auf Schlag zutreffenden Erfolgen reißt mit sich fort. Es spottet der ungestüme Drang des einigenden Gedankens aller weicheren zögernden Ausglättung der granitfesten Satzgebilde des Autors, hier des Urhebers auch in einen: anderen als dem gewöhnlichen Sinne des Wortes. Kurz, hier ist der Einblick offen in eine Werkstätte der Hirn- und Handarbeit von so reicher Ergiebigkeit und nie erlebter Neuheit der Produete, wie sie dem Psychologen uur selten geboten wird.
Dem Texte folgen als exacte Beweisführung nahe an dreihundert Abbildungen auf dreißig Tafeln, alle vom Verfasser selbst entworfen, theilweise ausgeführt und auf Stein gezeichnet. „Was," sagt er, „dem stolzen Fernrohr nicht, das war dem bescheidenen stillen Mikroskop vergönnt."
Die unausbleibliche Ermüdung nach so ungewöhnlicher, jahrelanger Anstrengung, wie sie ein ans diesem umständlichen Wege hergestelltes Werk erfordert, giebt sich in dem Wunsch zu erkennen, daß nunmehr seine Genossen in der Wissenschaft auf dem von ihm erschlossenen Wege besonnen Vorgehen möchten. „Ich muß die Arbeit in andere Hände legen, das weiß ich," sagt er in dem klaren Bewußtsein, daß durch seine Entdeckungen die bisherige Wissenschaft der Geologie mit einem Schlag zum dritten Theil antiquirt, ja daß nun erst ein Grund darin gelegt sei. „So kann er denn seine Arbeit ruhig in die Welt senden. Ihr Erfolg, die Anerkennung der Thatsachen und ihrer Deutung macht ihm keine Sorge."
Wenn gleichwohl die Anerkennung weniger schnell erfolgt ist, so wird dies insofern erklärlich, als erfahrungsmäßig der Beifall um so zäher znrückhält, je unver- mutheter ein großes Ereigniß die Zirkel bedroht, innerhalb deren sich die Wissenschaft heimisch eingerichtet weiß. Denn