Heft 
(1881) 299
Seite
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Jllnstrirte Deutsche Monatshefte.

directe Auslese stattfinden, insofern die Zahl der sich gesetzmäßig bewegenden Complexe in demselben Maße zunahm, wie die Zahl der sich frei bewegenden Einheiten abnahm. Die Zunahme des Unorganischen also war Abnahme des Organischen. Dagegen gewann der zurück- bleibende Bestand des Organischen an stufenweise höherer Entwickelung, und das ist es, was genau mit dem Gesetze von der Erhaltung der Energie stimmt, ja was eigentlich eine Entwickelung erst mög­lich macht. Somit ist das Unorganische eines Weltkörpers das Maß der Entwicke­lung seiner Organismen.

Aber erst nachdem der Erdkörper mit der Zunahme seines Volumens angefangen hatte, die Sonnenstrahlen wirksam anf- zufangen, kam durch das Sonnenlicht auch die Ernährung der Organismen zu Stande, womit jener einfache Urproceß, Zeugung durch Collision, wo das Lebendige gleich­sam progressiv abnahm, in der Art ver­ändert wurde, wie er sich jetzt aus der Oberfläche unseres Planeten abspielt.

Hieraus folgt nun, daß alle organische Wesen und alles Organische früher in anderer Form vorhanden gewesen sein muß. Denn das Zusammentreten von Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasser­stoff, Phosphor n. s. w., sei es unter wel­chen Umständen es wolle, giebt nie einen Organismus, und wer aus diesen Stoffen einen Organismus bilden wollte, müßte dieselben wieder rückwärts in organische Stoffe umsetzen können.

So diente das Unorganische selber, in­dem es als gasige, flüssige und feste Ge­bilde auftrat, dazu, die höhersteigende Entwickelung des sich umbildenden Organi­schen zu fördern, bis dieses, nach und nach zu immer höheren Stufen erhoben, auf dem Gipfel des Selbstbewußtseins im Sonnenlicht den Erdball beschreitet.

Wenn nun Preuß den Schluß zieht, daß der Mensch so alt wie die Erde und schon im Keime vorhanden gewesen sei, als diese noch nicht mehr unorganische Masse enthalten habe, als ein Kind in der Hand halten könne; wenn er damit den ewig räthselhaften Punkt berührt, der auf eine langer Hand vorbereitete Ueberein- stimmung der menschlichen Denkgesetze mit der Ordnung der Natur hinweist: so ist dieser Versuch einer anschaulichen Ver­

deutlichung nur die Umschreibung des alten Ausspruches, daß die Erde nicht die Mutter des Menschen, sondern daß viel­mehr die Idee der Menschheit die Mutter alles Irdischen ist.

So viel von dem allgemeinen Inhalt einer Schrift, welche sich als Frucht ge­wissenhaftester Forschung und angestreng­testen Denkens knndgiebt. Das Verlangen der Leser nach weiterer Begründung wird in dem gewissenhaften Studium des Einzelnen volle Befriedigung finden, und zwar namentlich in den neuen Auf­schlüssen über harmonische und dishar­monische Empfindungen,* über den Ans-

* Der Kernpunkt einer Begründung dieses Vor­ganges liegt in den Aufschlüssen, welche Preuß über harmonische und disharmonische Empfindungen giebt. Was für vergleichsweise Ausführlichkeit in einer besonderen Schrift maßgebend ist, fallt bei einer gedrängten Ncbersicht fort. Für eine solche genügt die kurz skizzirte Fassung der tiefgreifenden Bedeu­tung der Lehre von den harmonischen und dishar­monischen Empfindungen, wie dieselbe an einem anderen Orte im Wortlaut vorliegt:Die Welt ist Bewegung und Empfindung. Jeder unserer eigenen Bewegungen liegt eine Empfindung zu Grunde, aus welcher sie ihren Ursprung nimmt. Die Empfindung aber, welche unsere Bewegung begleitet, ist unange­nehm, sie weckt eine Erwartung, welche durch Be­wegung befriedigt werden soll, damit die unangenehme Empfindung in ihrer Intensität herabgemindert oder auch vollständig beseitigt werde. Wird dieses erreicht, so ist die Bewegung eine zweckmäßige, und es tritt eine angenehme Empfindung ein. Von uns selbst schließen wir auf andere Organismen und erkennen, daß allen ihren Bewegungen unangenehme Empfin­dung vorhergeht. Die unangenehme Empfindung zeugt von einer Disharmonie der organischen Natur, welche durch Bewegung nach und nach sich vermin­dert oder zur Harmonie geführt wird. Deshalb ist eS zur Vermeidung der subjcctiven Ausdrücke un­angenehm und angenehm besser, die Bezeichnung disharmonisch und harmonisch einzuführen."

Das ganze Wesen des Organismus ist dishar­monische Empfindung, welche aber mit der Zeit ab­nimmt. Sie ist beim Menschen im Kindcsalter am größten und wird im Tode gleich Null. Nur die Organismen empfinden unangenehm, nicht aber die Anorganismen, welche dein Trägheitsgesetze unter­liegen. In der Abnahme der Summe der dishar­monischen Empfindung besteht ein glücklicher Verlauf unseres Lebens, und da dies allgemein von der organischen Welt gilt, so liegt die innere (physische) Bedeutung des Lebens in der Verminderung der disharmonischen Empfindung."

Weiter folgt aus der Abnahme der Summe der disharmonischen Empfindung, daß diese selbst in jedem Stadium des Weltprocesses ein Minimum ist. Sie war daher in einem früheren Stadium größer als in einem späteren und muß daher im Anfänge ein Maximum gewesen, das heißt dazumal allein vor­handen gewesen sein. Das Ende aber der Welt­entwickelung wird im vollständigen Verschwinden