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Jllustr irte Deutsch e Monatshefte.
Format der ersten an, ja sie hat ans der Handschrift von Voß mehrere Versehen des Druckes berichtigen können. Wir aber möchten unseren unphilologischcn Lesern und namentlich auch unseren Leserinnen empfehlen, sich durch sie vertraut zu machen mit dem Lied vom Odysseus: Dein alten, ewig jungen Lied,
Aus dessen meerdurchrauschten Blättern
Uns freudig entgegensteigt
Der Athem der Götter
Und der blühende Menjchensrühling
Und der leuchtende Himmel von Hellas.
Die Einleitung von Bernays schildert uns mit staunenswerther Sachkenntniß höchst anziehend, wie das Verlangen nach einem deutschen Homer seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts rege war, wie Stolberg und Bodmer in Hexametern, Bürger anfangs in Jamben, dann gleichfalls in Hexametern dasselbe zu befriedigen suchten, bis Voß in freudiger Jugendkraft das Ziel erreichte. Er schildert ferner, wie dies geschah, wie Voß selbst an seinem Hochzeitstage, auf dem Morgenspaziergang vom Regen überrascht, eine Stunde des Wartens in einer Hütte übersetzend ausfüllte und wie der alte Sänger so recht der Schutzgeist seines liebevoll glücklichen Hausstandes war. Schon vor mehreren Jahren veröffentlichte Bernays eine kleine Schrift über Schlegel's Shakespcare- Uebersetzung; aus der erhaltenen Handschrift zeigte er, wie Schlegel gearbeitet und viele der bewandertsten Stellen erst allmälig der Vollendung entgegengereift. Der Nachlaß von Voß befindet sich auf der Münchener Staatsbibliothek und enthält theils auf zerstreuten Blättern erste Versuche, theils die für den Druck ange- fcrtigte Handschrift der deutschen Odyssee mit mancherlei Nachbesserungen. Auf dieses Material gestützt, eröffnet uns Bernays einen Blick in die Werkstatt des Uebersetzers; bald gelingt auf den ersten Wurf, was besonders kunstvoll erscheint, wie der bekannte Versschluß:
Warum denn zürnest du so, Zeus? der so innig an das Griechische sich anschmicgt, bald erscheint als das Ergebniß vielfältiger Bemühung, was durch leichten Fluß sich einschmeichelt. Das Gesagte gilt besonders auch von den stehenden Beiwörtern des „erfindungsreichen Odysseus", der „sinnigen Penelopeia", der „ehrbaren Schaffnerin" u. s. w., die Voß für immer eingebürgert hat. Die ganze Einleitung ist ein ebenso verdienstvoller als an- muthiger Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte. Die Proben aus den älteren Arbeiten sind ebenso lehrreich und für ihren Autor charakteristisch wie ergötzlich.. Da erschien z. B. in einer Sammlung merkwürdiger Reisen um 1550 „die vortreffliche Reisegeschichte des Ulysses, nach Homer's Beschreibung"; da ist Phcmios ein „berühmter Virtuose", da setzen im Haus des Menelaos die Springer mit ihren Arien
die Zuhörer iu Verwunderung, da sagt Odysseus zur Melantho: „Elendes Weibsbild! was hast du mich denn immer mit solchen giftigen Reden anzubrummen?" Und im folgenden Jahrzehnt konnte selbst Damm, der gründliche Kenner der homerischen Sprache, den Sauhirten Eumüos zu Odysseus sagen lassen: „Großer Herr, das dort ist der höllenmäßige Kerl schon wieder." Dann aber gab in den siebziger Jahren Bürger seine ersten Proben eines Homer in Jamben in einem so schwungvoll edlen Ton, daß seine Anfrage, ob Deutschland solch einen Homer wolle, von keinem Geringeren als von Goethe im Namen des Weimarer Kreises mit freudig ermunterndem Zuruf bejaht wurde. Man vernahm bei Bürger den Dichter, der mit dem Dichter ringt, wiewohl er die homerische Einfachheit hier und da durch derbere Kraft ersetzte. Wenn Agamemnon den Priester Chryscs mit barscher Rede entläßt, so heißt es:
Der König wies ihn schnöde von sich ab Und schnob dies donnernde Gebot ihm nach. Jndeß hatte Klopstock in seinem Messias den Hexameter als den epischen Vers auch für Deutschland eingeführt, wenn auch mehr in lyrisch-musikalischer als in plastisch anschaulicher Weise, und er wie der alte Bodmer, der junge Stolberg behaupteten, daß der deutsche Homer im Gewände des Hexameters erscheinen müsse. Stolberg und Bodmer traten in den Wettkampf mit Bürger ein, jedoch noch ohne die Vers- zahl des Griechischen streng beizubehalten; Stolberg schlug im Geiste der Zeit einen etwas ossianischen Ton au, Bodmer ward einer steifeil Zierlichkeit nicht ledig; und wie gut Briden einzelne Stellen gelingen mochten, den homerischen Ton erreichte doch erst Voß iu einer Verschmelzung volksthümlich-naiver und kunstreich gebildeter Darstellung. So gelangen Stolberg besonders naturschilderndc Gleichnisse, z. B.:
Wie verzehrendes Feuer im unermeßlichen Walde Lodert auf Gipfeln des BergS, daß fernher schimmert die Flamme —
oder:
Wie wenn rauschende Flüsse vom Gipfel des Berges
sich wälzen
Und im hallenden Thalc die reißenden Wasser vermischen,
Großen Quelle nentstürzend durchdonnern sie felsichte
Pfade:
Fernher hört im Gebirge der Schäfer das wilde
Getöse —
Dazwischen aber stehen so lahme Verse wie die folgenden:
Also sprach zuerst der kriegrische Menelaos...
Als sie eines Speerwurfcs iveit noch von ihm waren. ..
Laßt uns sein Gebein in eine güldene Urne Legen und mit Sorgfalt in doppeltes Fett sie wickeln. ..
Bei Bodmer heißt Priamos noch ein „ältlicher Herr", Kalypso eine „göttliche Dame" oder