Heft 
(1881) 299
Seite
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Jllustr irte Deutsch e Monatshefte.

Format der ersten an, ja sie hat ans der Hand­schrift von Voß mehrere Versehen des Druckes berichtigen können. Wir aber möchten unseren unphilologischcn Lesern und namentlich auch unseren Leserinnen empfehlen, sich durch sie ver­traut zu machen mit dem Lied vom Odysseus: Dein alten, ewig jungen Lied,

Aus dessen meerdurchrauschten Blättern

Uns freudig entgegensteigt

Der Athem der Götter

Und der blühende Menjchensrühling

Und der leuchtende Himmel von Hellas.

Die Einleitung von Bernays schildert uns mit staunenswerther Sachkenntniß höchst an­ziehend, wie das Verlangen nach einem deut­schen Homer seit der Mitte des vorigen Jahr­hunderts rege war, wie Stolberg und Bodmer in Hexametern, Bürger anfangs in Jamben, dann gleichfalls in Hexametern dasselbe zu be­friedigen suchten, bis Voß in freudiger Jugend­kraft das Ziel erreichte. Er schildert ferner, wie dies geschah, wie Voß selbst an seinem Hochzeitstage, auf dem Morgenspaziergang vom Regen überrascht, eine Stunde des Wartens in einer Hütte übersetzend ausfüllte und wie der alte Sänger so recht der Schutzgeist seines liebe­voll glücklichen Hausstandes war. Schon vor mehreren Jahren veröffentlichte Bernays eine kleine Schrift über Schlegel's Shakespcare- Uebersetzung; aus der erhaltenen Handschrift zeigte er, wie Schlegel gearbeitet und viele der bewandertsten Stellen erst allmälig der Voll­endung entgegengereift. Der Nachlaß von Voß befindet sich auf der Münchener Staatsbiblio­thek und enthält theils auf zerstreuten Blättern erste Versuche, theils die für den Druck ange- fcrtigte Handschrift der deutschen Odyssee mit mancherlei Nachbesserungen. Auf dieses Ma­terial gestützt, eröffnet uns Bernays einen Blick in die Werkstatt des Uebersetzers; bald gelingt auf den ersten Wurf, was besonders kunstvoll erscheint, wie der bekannte Versschluß:

Warum denn zürnest du so, Zeus? der so innig an das Griechische sich anschmicgt, bald erscheint als das Ergebniß vielfältiger Bemühung, was durch leichten Fluß sich ein­schmeichelt. Das Gesagte gilt besonders auch von den stehenden Beiwörtern deserfindungs­reichen Odysseus", dersinnigen Penelopeia", derehrbaren Schaffnerin" u. s. w., die Voß für immer eingebürgert hat. Die ganze Ein­leitung ist ein ebenso verdienstvoller als an- muthiger Beitrag zur deutschen Literatur­geschichte. Die Proben aus den älteren Ar­beiten sind ebenso lehrreich und für ihren Autor charakteristisch wie ergötzlich.. Da erschien z. B. in einer Sammlung merkwürdiger Reisen um 1550die vortreffliche Reisegeschichte des Ulysses, nach Homer's Beschreibung"; da ist Phcmios einberühmter Virtuose", da setzen im Haus des Menelaos die Springer mit ihren Arien

die Zuhörer iu Verwunderung, da sagt Odysseus zur Melantho:Elendes Weibsbild! was hast du mich denn immer mit solchen giftigen Reden anzubrummen?" Und im folgenden Jahrzehnt konnte selbst Damm, der gründliche Kenner der homerischen Sprache, den Sauhirten Eumüos zu Odysseus sagen lassen:Großer Herr, das dort ist der höllenmäßige Kerl schon wieder." Dann aber gab in den siebziger Jahren Bürger seine ersten Proben eines Homer in Jamben in einem so schwungvoll edlen Ton, daß seine Anfrage, ob Deutschland solch einen Homer wolle, von keinem Geringeren als von Goethe im Namen des Weimarer Kreises mit freudig ermunterndem Zuruf bejaht wurde. Man ver­nahm bei Bürger den Dichter, der mit dem Dichter ringt, wiewohl er die homerische Ein­fachheit hier und da durch derbere Kraft ersetzte. Wenn Agamemnon den Priester Chryscs mit barscher Rede entläßt, so heißt es:

Der König wies ihn schnöde von sich ab Und schnob dies donnernde Gebot ihm nach. Jndeß hatte Klopstock in seinem Messias den Hexameter als den epischen Vers auch für Deutschland eingeführt, wenn auch mehr in lyrisch-musikalischer als in plastisch anschaulicher Weise, und er wie der alte Bodmer, der junge Stolberg behaupteten, daß der deutsche Homer im Gewände des Hexameters erscheinen müsse. Stolberg und Bodmer traten in den Wettkampf mit Bürger ein, jedoch noch ohne die Vers- zahl des Griechischen streng beizubehalten; Stol­berg schlug im Geiste der Zeit einen etwas ossianischen Ton au, Bodmer ward einer steifeil Zierlichkeit nicht ledig; und wie gut Briden ein­zelne Stellen gelingen mochten, den homerischen Ton erreichte doch erst Voß iu einer Verschmel­zung volksthümlich-naiver und kunstreich gebil­deter Darstellung. So gelangen Stolberg be­sonders naturschilderndc Gleichnisse, z. B.:

Wie verzehrendes Feuer im unermeßlichen Walde Lodert auf Gipfeln des BergS, daß fernher schim­mert die Flamme

oder:

Wie wenn rauschende Flüsse vom Gipfel des Berges

sich wälzen

Und im hallenden Thalc die reißenden Wasser ver­mischen,

Großen Quelle nentstürzend durchdonnern sie felsichte

Pfade:

Fernher hört im Gebirge der Schäfer das wilde

Getöse

Dazwischen aber stehen so lahme Verse wie die folgenden:

Also sprach zuerst der kriegrische Menelaos...

Als sie eines Speerwurfcs iveit noch von ihm waren. ..

Laßt uns sein Gebein in eine güldene Urne Legen und mit Sorgfalt in doppeltes Fett sie wickeln. ..

Bei Bodmer heißt Priamos noch einältlicher Herr", Kalypso einegöttliche Dame" oder