Heft 
(1881) 299
Seite
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Literarische Mitthcilung en.

durchlauchte Frau", Ulyssesein Freund des Jovis"; die griechischen Götter- und Helden­namen statt der lateinischen führten erst die Göttinger ein. Wir geben eine Probe Bodmer- scher Verse:

Der Argusbezwinger

Flog mit dem Stab in der Hand, er stieg in Pierien

nieder,

Sank von dem Aether zum Meer und schwebte da

über den Wassern

Gleich dem tauchenden Vogel, der fern in dem zaum­losen Meere

Durch die weitesten Sunde die Fische verfolgt und

im Salznaß

Seine sehr dichten Fittiche badet. Nach selbiger

Weise

Streiste Mercur an die hohen Wellen.

Voß übertraf seine Mitbewerber um den Kranz ebensoweit an gelehrter Kenntniß der homerischen Welt und an philologischem Ber- ständniß der griechischen Sprache wie an fei­nem Gefühl für die treue Nachbildung des dichterischen Hauchs und Ausdrucks. Bernays führt von ihm die Stelle an:

Wie wenn auf ebener Bahn vier gleichgejpannete

Hengste

Alle zugleich Hinstürzen, umjchwirrt von der trei­benden Geißel,

Hoch sich erheben und hurtig zum Ziele des Laufes

gelangen:

Also erhob sich das Steuer des Schiffs, und es

rollte von hinten

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Dunkel und groß die Woge des lautaufrauschenden

Meeres.

Schnell und sicheren Laufes enteilten sie; selber

kein Habicht

Hätte sie eingeholt, der geschwindeste unter den

Vögeln.

Also durcheilte der schneidende Kiel die Fluthen des

Meeres,

Heimwärts tragend den Mann, an Weisheit ähn­lich den Göttern.

Ach! er hatte so viel unnennbare Leiden erduldet, Da er die Schlachten der Männer und tobende Flu­then durchkämpfte;

Und nun schlief er so ruhig und alle sein Leiden

vergessend.

Bernays bemerkt dazu:Hier ist dem Original nichts genommen und nichts aufgedrängt; aber das Ganze erscheint doch in milderer weicherer Färbung. Homer bemitleidet seinen Helden nicht mit einem Ach! er fährt, ohne den Satz zu unterbrechen, ruhig fort. Voß sagt: , Heimwärts tragend den Mann^ und drückt dadurch gleichsam die Sehnsucht aus, deren Zug uns, die mitfühlenden Hörer, ergreift, wenn wir den Dulder mit unserer Empfindung auf der Fahrt zur heimischen Küste begleiten. Homer sagt einfach: Sollen

wir nun den Uebersetzer wegen derartiger Ab­weichungen tadeln? Nein; er übernimmt hier die Rolle des glücklichen Vermittlers zwischen dem Original und unserer Empfindung. Er zeigt, wie er seinen Dichter gefühlt, damit auch wir ihn fühlen sollen." Moritz Karriere.

Zur Biographie Lessing's.

Gotthold Ephraim Lessing, sein Leben und seine Werke. Von Th. W. Danzel und G. E. Guhrauer. Zweite berichtigte und vermehrte Auflage. Herausgegeben von W. v. Maltzahn und R. Boxberger. Zwei Bände. (Berlin, Theodor Hofmann.l Das obengenannte Werk, dessen erste Hefte bereits hier erwähnt wurden, liegt nunmehr vollstän­dig vor. Wir begrüßen es mit Freuden, da eine so gediegene Monographie über Lessing, wie die von Danzel begonnene, nach dessen leider so frühem Tode von Guhrauer fortgesetzte, unmöglich im Bereich der Lessing-Literatur, in der sie eine Perle bildet, fehlen durfte, also wenn sie vergriffen war was merkwürdiger­weise erst fast dreißig Jahre nach ihrem Er­scheinen eingetreten, nothwendig so bald als möglich wieder aufgelegt werden mußte. Daß die beiden Gelehrten, welche als Heraus­geber der neuen Auflage hier genannt sind und deren Namen bereits im Kreise der Lessing- Forscher einen guten Klang haben, dieser Mühe­waltung sich unterzogen haben, ist sehr dan- kenswerth. lieber die Grundsätze, nach denen

sie bei ihrer Arbeit verfahren sind, haben sie in demVorwort zur neuen Ausgabe" sich ausgesprochen. Sie sindbemüht gewesen, diese neue Ausgabe auf dem heutigen Stand­punkte der Lessing-Forschung zu halten, ohne irgendwie die Pietät gegen die dayingeschiede- nen Verfasser aus den Augen zu setzen." Sie haben daherden Text mit möglichst schonen­der Hand behandelt", auch da, wo nach ihrem Geschmackdie Gründlichkeit bisweilen allzu gründlich, die philosophische Speculation bis­weilen allzu speculativ wird." Selbst größere Excurse, die sich in der ersten Auflage fanden, haben sie bis auf einen über Shakespeare, Band I, S. 447 der ersten Auflage bei­behalten. Dagegen haben sie die neueren For­schungen möglichst vollständig, soweit sie ihnen von Belang schienen, verwerthet. Außerdem haben sie, zur Erleichterung des Nachschlagens der Lessing'schen Werke selbst, zu den Seiten­zahlen der Lachmann'schen Ausgabe überall die entsprechenden der späteren Maltzan'schen und Hempel'schen hinzugefügt.

Eine Vermehrung hat diese zweite Auflage