Heft 
(1881) 299
Seite
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Jllnstrirte Deutsche Monatshefte.

erfahren durch die Beilage zum ersten Bande, enthaltend angebliche Recensionen Lefsing's in derBerlinischen privilegirten Zeitung vom Jahre 1749." Die Herausgeber haben auf eine Notiz hin, worin ein in der genannten Zeitung kritisirter Schriftsteller sagt, daß die Kritik über ihn von Lessing herrührensolle" den ganzeil Jahrgang 1749 dieser Zeitung sorgsam durchgesehen und eine Anzahl von Recensionen daraus, welche siegleichfalls als von Lessing verfaßt anerkennen, da sie die ganze Eigenthümlichkeit seines Stiles haben und mit seinen damaligen literarischen Beschäf­tigungen in genauer Beziehung und Verbin­dung stehen", hier abdrucken lassen. Uns will die ganze Eigenthümlichkeit des Lessing'schen Stiles" in diesen Recensionen keineswegs so ausgeprägt erscheinen, daß wir sie darum ohne Weiteres als von Lessing herrührend anerken­nen möchten. Bei einer haben die Herausgeber selbst angemcrkt:sie hielten sie nicht für lessingisch", haben sie aber doch ausgenommen; bei einer anderen:nichts deute auf Lefsing's Urheberschaft hin." Aber wozu dann sie auf­nehmen? Selbst dieAbfertigungen Gott- sched's", obschon man bei ihnen natürlich am ersten an Lessing denkt, sind doch nicht so spe- cifisch lessingisch, daß sie nicht auch von einem Anderen herrühren könnten. Der Spott über Gottscheds anmaßliches und unpoetisches Wesen war damals schon in weiten Kreisen verbreitet.

Ferner sind angehängt ein paar Recensionen aus denKritischen Nachrichten aus dem Be­reiche der Gelehrsamkeit" vom Jahre 1751, welche B. A. Wagner in der Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung Nr. 29 von 1879 als lessin­gisch bezeichnet hat, und Lefsing's Vorrede zu der (nach einem Artikel von Wagner in der Sonntagsbeilage zu Nr. 26 der Vossischen Zei­tung von 1879) von ihm gefertigten Ueber- setznng von Voltaire's kleineren historischen Schriften.

Was nun ini Allgemeinen die Bearbeitung des Danzel-Guhrauer'schen Werkes durch die Herren Herausgeber betrifft, so muß man die Pietät ehren, womit dieselben den Text des Werkes unversehrt zu erhalten gesucht haben. Ob nicht trotz dieser Pietät, ja gerade aus einer solchen, manche Längen etwas gekürzt, besonders manche Excurse (z. B. der im ersten Band, S. 476 bis 492) etwas hätten ins Engere zn- sammengezogen werden können, und zwar zum Vortheil des Ganzen, dieser Zweifel scheint uns nicht unberechtigt. Sollte nicht gerade eine gewisse Breite und Schwerfälligkeit des Danzel-Guhrauer'schen Werkes, welche dessen Studium mindestens Ungeübteren beschwerlich machte, den ganz außerordentlichen Verdiensten, namentlich Danzel's, um Ermittelung und Feststellung des Tatsächlichen einigermaßen Abbruch gethan haben und mit daran schuld

sein, daß erst nach so langer Zeit eine neue Auflage davon nothwendig geworden ist? Und hätte es daher nicht im Interesse des Werkes selbst gelegen, diesem Uebelstande, soweit mög­lich, in etwas abzuhelfen? Freilich, das geben wir zu, es wäre ein schwieriges, namentlich aber ein sehr verantwortliches Beginnen ge­wesen.

Wenn wir so nach der einen Seite wünschen möchten, die Herausgeber Hütten ihren Stofs etwas zusammenziehen können (ohne daß wir jedoch das Gewicht der Gründe unterschätzen, die sie davon abgehalten haben), so hätten wir nach einer anderen Seite hin eine Erweiterung der neuen Auflage nicht ungern gesehen, näm­lich in Bezug auf die Zusätze der Herausgeber selbst. Dieselben haben ihre Zusage,die neueren Forschungen möglichst vollständig zu verwerthen", in einer Richtung der philo­logischen - wohl erfüllt; was zur Feststellung oder Erläuterung biographischer, bibliographi­scher, exegetischer und sonstiger Notizen zu Lefsing's Leben und Werken durch die neuere Lessing-Kritik zu Tage gefördert worden, findet sich in peinlicher Vollständigkeit angeführt. Allein zu denForschungen" über einen Schrift­steller gehören unseres Erachtens ebensowohl auch die ästhetisch-kritischen, literar-- und cultur- historischen, philosophischen u. a. Erörterungen über den Inhalt seiner Werke und über die darin sich aussprechende Geschmacks-, Geistes­und Gemüthsrichtung. Und nach dieser Seite hin vermissen wir allerdings eine gleiche Be­rücksichtigung der seit dem Erscheinen des Danzel-Guhrauer'schen Werkes (1850 bis 1854) zu Tage getretenen, sehr umfänglichen Litera­tur über Lessing. Wir wollen nur Einiges anführen, wo uns diese Lücke besonders ausge­fallen ist. BeiMinna von Barnhelm" wäre wohl theils in Bezug auf Einzelnes, z. B. das Musterbild des Tellheim (ob, wie Danzel meint, ein Major v. Biberstein oder, wie neuer­dings mehrfach angenommen wird, Lessing's vertrauter Freund, der Major v. Kleist), theils in Bezug auf die ganze Grundlage des Dra­mas, besonders auf dessenpolitische" oder nationale" Bedeutung (worüber, nach Aus­deutungen des Goethe'schcn Ausspruchs über denspecifisch norddeutschen Gehalt" der Minna und ihre Zurückführung auf den siebenjährigen Krieg, so verschiedenartige Ansichten sich geltend gemacht haben), auf diese verschiedenen Aus­legungen (z. B. bei Löbell, Julian Schmidt rc.) und überhaupt auf die nachdanzel'sche Lite­ratur einige Rücksicht zu nehmen gewesen. So aber finden wir lediglich eine einzige solche An­führung, nämlich die eines Aufsatzes von R. Box­berger:Die politische Bedeutung von Lessing's Minna von Barnhelm", noch dazu ohne jeg­liche Andeutung von dem Inhalt dieses Auf­satzes. BeiEmilia Galotti" war, scheint uns,