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(1881) 300
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

aus Tagen, wo fürstliche Jagdleidenschaft sich verschwenderisch zu entfalten liebte und Schlösser erbaute für weidmännische Hoffeste und zur Unterkunft eines um­fassenden Personals von Jägern und be­vorzugten Jägerinnen. Das Fürstenthum, zu welchen! Eisenthal einst gehört hatte, war längst einem größeren Staatsver- bande einverleibt und das Schlößchen zu einer Oberförsterei gemacht worden. Das Haus bestand aus einem zweistöckigen Mittelbau mit hohem, in Mansarden auf­gestuftem Dache und zwei Seitenflügeln, welche sich nur als Erdgeschoß ausbreite­ten, mit großen, bis zum Boden reichen­den Fenstern, deren Mehrzahl einst Flügel- thüren gewesen waren. Vor denselben zog sich die ganze Vorderseite des Hauses entlang eine aufgemauerte Rampe, welche sich in der Mitte in einer Freitreppe er­weiterte, mit einer Galerie kunstvoller aus Eisen geschmiedeter Ranken und Blu­men, übereinstimmend mit dem über der Treppe hervorspringenden Balcon des oberen Stockwerkes. Im Rücken des Hauses hatte die neuere Zeit manche Veränderung vornehmen müssen, um einen Wirthschaftshof herzustellen, und ebenso in der inneren Einrichtung der Zimmer und Gemächer, um sie auch für den Winter erwärmbar und wohnlich zu gestalten und einzurichten. Von dem alten, auf eiuen Familienhaushalt nicht berechneten Mo­biliar fanden sich nur noch wenige Reste, dafür waren alle Räume, nicht glänzend, aber bequem und zweckmäßig, für die Bedürfnisse modernen Lebens ausgestattet. Hier lebte Herr Volkmar mit seiner Gattin seit fünfundzwanzig Jahren. Seine Tüch­tigkeit in der Amtsführung, seine wissen­schaftliche Bildung hatten ihm schon ein paarmal den Ruf eingetragen, zu Gunsten einer höheren Stellung im Staate seinen Wald zu verlassen. Dazu konnte er sich nicht entschließen, da er sich mit seiner Umgebung verwachsen fühlte und das ge­

wohnte Revier niemals mit einer amt­lichen Arbeitsstube in der Stadt hätte vertauschen mögen. In seinem Aenßeren glich er dem gewöhnlichen Förstertypus nicht eigentlich. Zwar fehlte nicht der starke, jetzt angegraute Vollbart, aber die hochgewachsene Gestalt, das Weltmännische seiner Art sich zu geben, die Bildung, die sich in seiner Rede kund that, bewiesen ein durch mannigfache Mittel ausgestatte­tes und äußerlich wie innerlich mehr ge­hobenes Dasein. Und so auch seine Gattin. Sie war nicht die Frau Oberförstern!, die nur in der Wirtschaft und in den Interessen des Hauses aufgeht, sondern eine recht stattliche Dame, welche, wenn ihr die häuslichen Pflichten als das Selbstverständliche erschienen, an der gei­stigen Arbeit des Mannes und der Kinder theilnahm und im Zusammenhang mit der Welt zu bleiben wünschte, so weit ihre Lage und ihr Lebenskreis es ermög­lichten. Da den Gatten mehrere Kinder bald nach der Geburt hinweggestorben waren und ein Ersatz dafür sich nicht einstelleu wollte, beschlossen sie, einen elternlosen Knaben, in entferntem Grade mit der Hausfrau verwandt, an Kindes­statt aufzunehmen. Roderich Klingstein behielt seinen väterlichen Namen, erwuchs aber ganz als der Sohn des Hauses, und zwar in seinem Wesen, seinen Bestrebungen und Studien zur höchsten Genngthnnng der Eltern. Frühe Neigung und das Bei­spiel des Vaters hatten ihn den Natur­wissenschaften zugeführt. Seine akademi­schen Jahre waren vorüber, einige Reisen hatten sich daran geschlossen, eine wissen­schaftliche Arbeit zeigte bereits die aus­gezeichnete Anwendung seiner Lehrjahre und trug ihm Anerkennung ein. Er hoffte sich demnächst an einer Akademie zur Lehrthätigkeit niederzulassen. Augenblick­lich war er theils zur Erholung, theils zu neuen Forschungen und Studien auf einer längeren Wanderung, von welcher