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man ihn eigentlich längst zurückerwartete. Spät noch war dem Hause eine Tochter geboren worden, die jetzt achtzehnjährige Konradine. Im Gegensatz zu den Gestalten der Eltern und des Bruders war sie von kleiner Figur geblieben: ein feines, zierliches Mädchen, ohne doch unkräftig zu erscheinen, hübsch, rosig und munter, das ganze Entzücken des Vaters. Daß bei dem Bildnngsstandpunkt der Eltern ihre Erziehung nicht versäumt worden und Konradine sich nicht als ein gewöhnliches Landmädchen darstellte, ist selbstverständlich. Dies waren die Mitglieder der Familie und die Bewohner eines Hauses, welches sich Besuchern auch auf längere Zeit gern öffnete und dessen Fremdengemächer eigentlich niemals leer standen.
Auch aus der näheren Umgebung war ein häufiges Kommen und Vorsprechen. Konnte Herr von Schellborn die Oberförsterei von seinem Gute aus in einer Stunde erreichen, so stieß, etwas weiter hinaus, daran das Besitzthnm des Grafen Spach, während auf der anderen Seite, freilich mehrere Stunden entfernt, das Grnndeigenthum des Freiherrn von Troll an die Waldgrenze stieß. Nicht gering achtete man in der Oberförsterei den Vortheil, daß ein Haltepunkt der Schienenstraße leicht zu erreichen war, der dann die Verbindung mit der kleinen Residenz W. ermöglichte. Brauchte man immer ein paar Stunden, um dahin zu gelangen, so ließ man sich diese, wie meist auf dem Lande, wo jeder Verkehr mit einigem Zeitaufwand erkauft werden muß, nicht eben verdrießen.
Noch an demselben Morgen, da Paul Schellborn seinen Besuch in der Oberförsterei abgestattet, hielt Herr Volkmar ein Gespräch mit seiner Frau, dessen Inhalt Beide sehr ernst zu stimmen schien, dann ließ er anspannen, um nach dem Gute des Herrn von Troll zu fahren.
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Noch aber waren die Pferde nicht aus dem Stalle geholt, als der Wagen des Freiherrn in den Hof einfuhr. Der Oberförster zeigte sich nicht wenig überrascht, denn es schien ein nicht geringes Ereigniß, diesen Gast zu empfangen, der sich nur selten und nothgedrungen auf seinem Gute aushielt und seit einer Reihe von Jahren keinen Verkehr mehr mit den Bewohnern von Eisenthal gepflogen hatte. Volkmar rief seiner Frau zu, das Empfangszimmer während des Besuches des Freiherrn vor jedem Eintreten eines Anderen zu bewahren, und ging dem Gaste entgegen.
„Guten Morgen, Herr Nachbar!" rief der Ankommende. „Ich habe Ihr Billet gefunden, in welchem Sie mir schreiben, daß Sie mich sprechen wollen. Ich komme Ihnen zuvor, da ich doch einmal auf dem Wege nach der Stadt bin. Was giebt es denn?"
Im Empfangszimmer angelangt, suchte der Oberförster durch einige Vorbereitungen im Gespräch der zerstreuten Stimmung des Freiherrn erst eine bestimmte Richtung zu geben, dann erzählte er, daß er seit einigen Tagen zwei junge Leute als Gäste im Hause habe, welche einen Brief ihrer verstorbenen Mutter bei ihm abgegeben, einen Brief, der auch für den Freiherrn, nach dem Willen der Hingeschiedenen, nicht ohne Bedeutung sei. Und indem er das ziemlich umfangreiche Schreiben Herrn von Troll überreichte, fügte er hinzu, daß die Geschwister die Namen Rolf und Inga Svendson führten.
Ein Ausdruck zornigster Ueberraschung flammte in dem Antlitz des Freiherrn auf. Schweigend, mit augenscheinlichem Widerstreben, durchflog er den Brief, welcher für seine Stimmung viel zu ausführlich und lang war und dessen Schluß seine Augen mit Ueberschlagung mehrerer Seiten zueilten. Längst abge- thane, wie er glaubte, den bittersten