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Groll aufregende Erinnerungen waren wieder da, und niemals Erwartetes wollte sich störend in sein Leben drängen. Denn Rolf und Inga, von welchen er zum ersten Mal hörte, waren zwar nicht seine Kinder, aber die Kinder seiner Gemahlin, welche sich einst freiwillig von ihm getrennt hatte. Im Vorgefühle nahen Todes empfahl sie die mittellosen ihrer Jugendfreundin, der Frau Volkmar, zugleich mit der Bitte, die Großmuth des Freiherrn für dieselben anzurufen. Herr von Troll sprang heftig aus, nachdem er den Brief durchflogen, und durchmaß schweigend den Saal mit starken Schritten, während der Oberförster an ein Fenster trat und hinausblickte, um die Wendung des Gespräches von der Fassung seines Gastes abhängen zu lassen.
Um die Aufregung desselben zu erklären, muß in eine entfernter liegende Zeit zurückgegriffen werden. Herr von Troll hatte sich einst verheirathet, ohne große Zuneigung; ein leichtes Gefallen schien dieselbe ersetzen zu können, zumal er bei etwas bunter Lebensart von seiner Familie zur endlichen Begründung eines Hausstandes gedrängt wurde. Seine Gemahlin war nicht wohlhabend, aber von gräflichem Hause und sehr schön. Ob ihr Herz an ihn gefesselt war, steht dahin, jedenfalls aber hatte sie gehofft, ihn selbst mehr zu fesseln. Der Freiherr konnte sich nicht rühmen, seiner Gemahlin ein Muster ehelicher Treue zu geben. Sie erfuhr von seinen Zerstreuungen und wendete sich innerlich von ihm ab. Die Geburt einer Tochter verbesserte nichts in dem ehelichen Einvernehmen. So wenig die Gatten noch gemeinsam hatten, so wurde, wie man zu sagen pflegt, doch der äußere Anstand gewahrt, und sie lebten einige Jahre wie Andere auf der Oberfläche des geselligen Bodens. In einem Sommer reisten sie zur Unterhaltung nach Baden, wo es damals, in den Zeiten
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des grünen Tisches, noch ungleich mehr Zerstreuung gab als heutzutage. Ein junger Mann aus Norwegen wußte sich der Baronin zu näheru. Er war Bildhauer und auf einer Reise nach Italien begriffen. Der schlanke, blonde Fremde blieb nicht ohne Eindruck auf das Herz der jungen Frau, und sie steuerte dieser Regung um so weniger, als sie sich täglich aufs Neue durch ihren Gemahl verletzt glaubte. Erich Sveudson fand Gelegenheit, ihr seine Leidenschaft zu gestehen. Noch zitterte sie bei Anhörung dieses Geständnisses, aber auch in ihrem Inneren wachte zum ersten Mal auf, was sie für ihren Gemahl niemals empfunden hatte. Die Ueberzeugung gewann in Beiden den Sieg, daß sie für einander gehörten, und sie beschlossen, zu eutfliehen. Die junge Frau gab ihreu Gatten, ihr Kind, ihren guten Ruf preis und folgte ihrem Freunde in die Ferne und in eine ungewisse Zukunft. Erst von Rom aus schrieb sie an Herrn von Troll, daß sie sich für schuldig bekenne und die Scheidung von ihm verlange, da sie sich mit dem Bildhauer Erich Svendson zu vermählen gedenke. Diese Erfahrung traf den in seinem hochfahrenden Stolze Verletzten als ein harter Schlag. Unfaßbar erschien es ihm, daß ein solcher Scandal gerade aus seinem Hause in die Oeffent- lichkeit gehen sollte, zumal er die Lacher gegen sich hatte. Er mußte aus der Gesellschaft verschwinden, um sich vor ihr zu retten. Die Scheidung wurde eingeleitet und vollzogen, er aber ging nach Paris und überließ den Leuten das Kopfzerbrechen über das immerhin unerklärliche Verschwinden der Baronin. Denn so geschickt hatten die Entflohenen ihren Verkehr zu bergen gewußt, daß Niemand auf den fast unbekannten Erich Svendson verfallen wäre, und der Freiherr hütete sich selbstverständlich, die Aufklärung zu geben, daß seine Frau mit einem lum-