Roqucttc: Inga Svendson.
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pigen Künstler davongegangen sei. Der Lärm verlief sich mit der Zeit wie manche andere Ereignisse, die einander in der öffentlichen Knndnahme verdrängten und ablösten. Und als Herr von Troll nach Jahr und Tag in seine Kreise zurückkehrte, war seine Schmach, wenn nicht vergessen, doch insoweit in den Hintergrund geschoben, daß er getrost sein bisheriges Leben wieder aufnehmen konnte. — Inzwischen verlebte die einstige Baronin einige glückliche Jahre als Gattin Erich Svendson's in Italien. Sie gebar ein Zwillingspaar, welches in der Taufe die Namen Rolf und Inga erhielt. Svendson hatte einige Kunstwerke in Marmor vollendet, welche nach seiner nordischen Hei- math abgesandt wurden, er selbst rüstete sich, mit seiner Familie nachzufolgen. Es kam nicht dazu, da dieselbe von dem traurigsten Geschick ereilt wurde. Svendson setzte sich leichtsinnig den Einflüssen des südlichen Klimas aus, ein Fieber ergriff ihn und raffte ihn in wenigen Tagen dahin. Die junge Frau sah sich in verzweifelter Lage. Ihr mütterliches Vermögen, nur gering, hatte man ihr nicht vorenthalten können. Es war, da man sich in Rom auf etwas großen Fuß eingerichtet hatte, bis auf einen kleinen Rest draufgegangen. Sich an ihre Verwandten in Deutschland zurückzuwenden, brachte die Entflohene und Versehmte nicht übers Herz. Nachdem die erste Gewalt des Schmerzes gebrochen und einem etwas freieren Blick in das Leben gewichen war, mußte ein Entschluß gefaßt werden. Sie war für ihre und die Erhaltung ihrer Kinder allein auf sich selbst angewiesen, und sie beschloß, tapfer zu sein und Alles, was von Verwöhnung und Ansprüchen in ihr war, preiszugeben. Freunde aus ihrem künstlerischen Kreise in Rom riethen ihr, von ihrer schönen Stimme Nutzen zu ziehen und es mit der Oper zu versuchen. Sie widerstrebte; endlich aber, wenn
auch mit schwerem Herzen, entschloß sie sich dazu und nahm nochmals Unterricht bei einem italienischen Gesangmeister. Er ermuthigte sie, und sie trat unter fremdem Namen auf und fand Beifall. Mit einer reisenden Gesellschaft gelangte sie nach Deutschland, um daselbst für immer zu bleiben, ohne doch ihren neuen italienischen Namen für die Bühne aufzugeben. Doch hütete sie sich bei mannigfachem Wechsel des Engagements, die Grenze auch nur von Mitteldeutschland zu berühren. Glänzend war ihre Laufbahn nicht. Nach sechs Jahren versagte ihre Stimme; aber die Gewandtheit, welche sie auf der Bühne erlangt, sowie ihre schöne, bedeutende Gestalt befähigten die noch jugendliche Frau, in älteren heroischen Rollen des Schauspiels aufzutreten. Und es gelang ihr, fast zehn Jahre, die letzten ihres Lebens, als Mitglied eines Stadttheaters in Süddeutschland festen Fuß zu behalten. Hatte sie bei einem solchen Berns auf alles von außen kommende Glück für sich selbst verzichtet, so war das Glück und die Erziehung ihrer Kinder um so mehr ihr Streben und Augenmerk. Sie kamen noch jung genug in dauernde Verhältnisse, um durch das fahrende Leben nicht beeinträchtigt zu werden. Im Hanse selbst hielt die Mutter selbst auf strenge Ordnung, die Schule mußte besucht und jede Arbeit pünktlich verrichtet werden. Sie hätte es gern gesehen, wenn vom Theater niemals eine Spur über die Schwelle ihrer Häuslichkeit gelangt wäre, was sich denn freilich nicht ganz vermeiden ließ. Vorwiegend war Rolf nicht davon abzuschließen. Und doch kam sie bald zu der Ueberzengung, daß gerade um seine Zukunft ihr am wenigsten bange zu sein brauchte. Denn sein musikalisches Talent entwickelte sich früh, und schon der zwölfjährige Knabe wurde von den Musikern mit in das Opernorchester genommen, wo er unter den Violinisten seinen Bogen