Heft 
(1881) 300
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Roquctte: Jri

dm lebhaft angezogen und hoffte sie aus der Verborgenheit ihres Inneren mit der Zeit hervorzulocken. Daß dies nicht so schnell ging, daß Inga das Vertrauen nicht schon in gleichem Maße erwiderte, verletzte sie nicht, eher schalt sie sich selbst über eine Offenherzigkeit, welche mehr inneres Glück verrieth, als in die noch gedrückte Stimmung der Freundin passen wollte.

Inga dagegen konnte das Gefühl der Fremdheit noch nicht überwinden, um so weniger Verhältnissen gegenüber, die nur das Geordnete und Wohlbegründete zeig­ten. Es war seit dem Tode der Mutter über ein Jahr vergangen, und diese Zeit hatte das ohnehin der Stütze bedürftige Mädchen in eine innere Verwirrung ge­bracht, welche ihr Gemüth beängstigte. Die Versuche, sie zur Theaterlaufbahn zu überredeu, wollten nicht enden, obgleich die Berather eigentlich nur ihre Schönheit, keine Proben ihrer Befähigung dafür ins Gewicht legen konnten. An Zudringlich­keiten anderer Art fehlte es auch nicht. An dem Vormund hatten die Kinder keine Stütze. Endlich kam die Zeit, da Rolf, dem die Mutter ans Herz gelegt hatte, seine Schulbildung zu vollenden, die Stadt verlassen konnte. Sein Engage­ment für die Sommermonate bei der Capelle des Badeortes brachte dem jungen Mädchen neue betrübende Erfahrungen. Inga athmete auf, als sie das von der Mutter gewünschte Ziel erreicht hatte, und das Gefühl, eine unbehelligte Zuflucht ge­funden zu haben, brachte ihrem Gemüth einige Ruhe und reinere Sammlung. Dieses innere Ausruhen that ihr wohl; sie fühlte, daß man ihr Sorge und Güte entgegenbrachte, sie konnte wieder lächeln, sie konnte sich ihrer Umgebung als eines Guten und Schönen erfreuen. Aber wenn sie dann strebte, sich im Hanse nützlich zu machen, dann mußte sie erkennen, wie Alle ihr überlegen waren, wie selbst Kon­

go Svendson.

radine, die sonst so viel mit Büchern, Schreibereien und Musik beschäftigt schien, gewandt in der Wirtschaft zuzugreifen verstand und in ein paar Minuten ins Werk setzte, was ihr selbst in einer Viertel­stunde nur unvollkommen gelang. Es machte sie ganz unglücklich, und sie fragte sich, was daraus werden solle? Aber sie war nicht ohne die Fähigkeit starker moralischer Entschlüsse; sie beschloß, sich Gewalt anzuthun.Was Rolf kann, muß ich auch können!" sagte sie sich.Ich will da, wo ich stehe, meine Pflicht thun, ich will mir meinen Weg schrittweise erobern." So bat und drängte sie fast, daß man ihr eine Theilnahme an den Hausgeschäften gewähre, und es gereichte ihr zu einer kleinen Genugthuung, bereits ein Lob von der Hausfrau empfangen zu haben. Konradine, gewandt und heiterem Ge­plauder nicht abhold, wußte die Unter­haltung aufrecht zu erhalten, bis sie zu Hause anlangten und in Roderich's Zim­mer traten.

Es war ein kleiner Saal im linken Seitenflügel, von allen Räumen des Hauses aus seinen Wandflächen für den modernen Gebrauch am wenigsten ange­tastet. Zwei große Fenster und eine Glasthür verbanden ihn mit der Rampe der Vorderseite. Die gemalte Decke, ob­gleich verblichen, zeigte in blauer Luft und auf Wolken noch Diana auf ihrem Wagen, von zwei Hirschen gezogen. Ur­alte Hirschgeweihe waren an den Wänden befestigt, welche, einst meergrün init gol­denen Leisten, jetzt eine stark nachgedunkelte Farbe zeigten. In diesen Raum hatte sich Roderich alle Reste des einstigen Mo­biliars schon als Knabe zusammeugetrageu. Da standen ein paar Stühle, einst weiß lackirt und mit goldenen Zierrathen ge­schmückt, mit gewundenen Füßen und Lehnen; ein breitsitziger, schwerer Ruhe­sessel von geschnitztem Eichenholz, mit Leder überzogen; ein wunderlicher Tisch,