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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
dessen Platte aus gemalten Porzellan- stticken bestand, mit metallenem Rande; eine gebauchte, wurmstichige Commode und sonst einige Stücke, die er um keinen Preis neu aufzuputzen und ihrem alten Glanze anzunähern gestattete. Damit vermischten sich in bunter Reihe neue Geräth- schaften in unscheinbarer Form. Bücherbretter von Fichtenholz und Schränke, worin sich Sammlungen von Gesteinen, Jnsecten und Herbarien befanden. Ueber denselben, zwischen ausgestopften Vögeln und selteneren Vierfüßlern des Waldes, Schlangen, Salamander und sonstige Amphibien in Gläsern mit Spiritus. Dazu hingen an den Wänden mancherlei wunderliche Dinge: große Bündel von Samenkapseln, Waffen, ein paar Gemälde, deren Gegenstand man auf der schwarzen Fläche schwer erkennen konnte, Gipsabgüsse verschiedener Menschenracen und die Rüstung eines neuseeländischen Häuptlings. Sogar die Hirschgeweihe waren noch zu Haken für allerlei Aufhängbares benutzt, worunter sich Fechthandschuh, eine verschossene Studentenmütze und Strohhüte der jüngsten Zeit befanden. Vor einein der Fenster prangte ein Philodendron, dessen mächtige Höhe und Riesenblätter dasselbe fast verschütteten, während sich vor dem zweiten ein Aufbau von anderen seltenen und wohlgepflegten Gewächsen befand. In der Mitte des Raumes aber stand der Arbeitstisch, breit und bequem, ohne jeden Luxus, aber doch ausgestattet mit Vielem, was individueller Geschmack, Liebhaberei, Gelehrsamkeit und Bedürfniß vereinigen können: Bücher, Kästen mit Collectaneen, ein Todtenschädel, Blumen- gläser und Familienbilder in Photographien. Dieser seit vielen Jahren zusammengetragene Inhalt gab der Werkstatt zwar ein recht buntes Ansehen, aber das Ganze war nicht ohne Sinn für Ordnung und zeigte, daß liebevolle weibliche Hände hier säubernd zu walten pflegten.
Inga war überrascht durch den Anblick dieses Raumes und blieb mit einem Ausruf der Verwunderung an der Thür stehen, während Konradine den Blumenstrauß auf den Arbeitstisch stellte. „Treten Sie getrost näher!" rief sie lächelnd. „Der gelehrte Vogel ist nicht in seinem Käfig! Wir dürfen uns ungefährdet darin umsehen und über ihn lustig machen." Inga trat zu ihr, und das Erste, worauf ihr Blick fester hastete, war der Schädel, welcher gleichsam als Beschwerer ans einer Schicht von Büchern lag. „Ist das ein Todtenkopf?" fragte sie mit ruhiger Betrachtung. „In Wirklichkeit habe ich bisher noch nie einen gesehen."
„Müssen Sie die häßliche Larve denn auch zuerst erblicken, um darüber zu erschrecken!" rief Konradine.
„Erschrecken? O nein!" entgegnete Inga. „Nur vor Lebendigem erschrecke ich leicht. So also sieht man aus —? Ist es ein männlicher oder ein weiblicher Schädel?"
„Ich weiß es nicht zu sagen. Es ist mir nur lieb, daß Sie sich nicht davor fürchten. Ich war viel unangenehmer dadurch berührt, als Roderich in seiner Studentenzeit ihn nach Hause brachte, ja ich fürchtete mich geradezu davor. Nur langsam habe ich mich daran gewöhnt und begriff nicht, wie Roderich mir an dem Häßlichen immer die Schönheit erklären wollte. Ich habe gegen das Ding immer noch eine Scheu und muß mir den Tadel Roderich's gefallen lassen. Aber kommen Sie hierher! Ich zeige Ihnen, was unter seinen Sammlungen meine besondere Freude ist!" Sie öffnete die Schubladen eines Schrankes und zeigte eine Muschelsammlung vor, bei deren Anblick sie selbst, obgleich sie sie oft genug gesehen hatte, ihre lebhafte Freude verrieth. Inga empfand kindlich genug, in dieselbe einzustimmen, die Zartheit der Farben, die Zierlichkeit der kleinen