Heft 
(1881) 300
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Geschäften abgerufen wurde, gab die Mutter auch Konradiueu einen Wink, das Zimmer zu verlassen.So ist's recht! Zu Ihnen komme ich," begann die Grä­fin, als die Frauen mit einander allein waren.Und nun unter vier Augen gleich zur Hauptsache! Papa hat ein paar erwachsene junge Leute bei Ihnen untergebracht. Wenn Papa für sie als seine Pflegebefohlenen zu sorgen beliebt, so wird er ja wohl eine Pflicht haben, und es ist nicht schwer zu errathen, in welcher Beziehung er zu den Kindern steht!" Auguste lächelte, und der höhnische Zug um ihren Mund vertiefte sich bis zum Ausdruck des Verachtenden.

Nicht der Freiherr hat uns die jungen Leute zugewiesen," eutgegnete die Haus­frau.Wer sagt Ihnen, Frau Gräfin, daß er es gewesen?"

Wer mir gerade das gesagt hat? Beste Frau, das weiß ich nicht mehr! Mitgetheilt hat mir Paul Schellborn zu­erst, daß ein junges Paar sich bei Ihnen aufhalte, welchem wir bereits in Ems be­gegnet waren und dem wir damals bei der Unkenntniß seines Verhältnisses zu einander, und dazu falsch berichtet, Un­recht gethan haben. Wohl denn, es thut mir leid, um so mehr, da es jetzt, oder doch das Mädchen noch, in Ihrem Hause ist. Nun aber! Bald nach der An­kunft der Kinder trifft auch Papa in Ihrem Hause ein! Ein merkwürdiger Fall! Wie kommt er darauf, den Kindern gerade bei Ihnen Wohnung zu machen? Wie kommt gerade Ihr Haus zu dieser immerhin sonderbaren Ehre? Machen Sie mir das deutlich! Ich habe Gründe, darüber auf­geklärt sein zu wollen. Ich gehöre doch auch so zu sagen zu Papas Familie!" Auguste warf die letzten Worte mit nicht schönem Lachen hin.

Frau Volkmar fühlte sich peinlich be­rührt. In rascher Ueberlegung kam sie zu der Ansicht, daß es der Gräfin nichts

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schaden tonne, wenn sie in das Geheim- niß eingeweiht würde, und so zögerte sie nicht, ihr die ganze Wahrheit zu sagen: von der Herkunft der Kinder; von der zweiten Heirath der ehemaligen Baronin von Troll; von ihrem Leben und Tode; von dem Briefe, welchen dieselbe an ihre alte Freundin, die Oberförsterin, geschrie­ben, und wie sie ihr darin Rolf und Inga empfohlen habe. Auguste hörte mit wachsendem Erstaunen zu, ja sie fühlte sich durch diese Thatsachen, in so schlichter Darstellung vorgetragen, geradezu erschüt­tert. So waren diese Kinder wirklich ihre Geschwister, und zwar in rechtlichem Sinne, da die zweite Ehe der Mutter ge­setzliche Gültigkeit hatte. Aber wenn sie die vermeintliche Beziehung derselben zu dem Freiherr» von Troll als Weltkind ziemlich leichtsinnig genommen, so erschien ihr das Verhältniß, welches sie und die jungen Leute an die gleiche Mutter knüpfte, plötzlich erschreckend.

Auguste hatte keine Erinnerung an ihre Mutter. Sie selbst war noch ein junges Kind gewesen, als diese sich von ihr trennte. Die Baronin sei frühzeitig gestorben, so hieß es später. Als aber Auguste heran­wuchs, mußte sie freilich erfahren, daß die Mutter ihren Gatten verlassen habe, um eine andere Ehe zu schließen. Es giebt immer und überall Leute, welche das, was der Familie Geheimnis; bleiben soll, den Familienmitgliedern heimlich zuflüstern. Daß sie inzwischen gestorben sei, glaubten aber auch die Zuträger zu wissen. Gleich­wohl hatte Auguste den Namen Svendson niemals gehört, entweder weil Niemand ihn kannte oder diejenigen, welche ihn gekannt, ihn vergessen hatten oder in einem Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren darüber hingestorben waren. Ein inneres Verhältniß zu ihrer Mutter konnte Auguste nicht haben, nicht einmal ein Bild von ihr war übrig geblieben, an dessen I Züge sie ihr Auge hätte gewöhnen können.