683
Rognette: I
den Seinen Geschenke überreicht, die er für sie mitgebracht: der Mutter ein Buch biographischen Inhalts, nach welchem sie sich schon längst vergeblich umgethan; Konradinen Illustrationen berühmter Meister zu allerlei Gedichten; dem Vater ein altes Pulverhorn mit eingelegter Arbeit; es war das kostbarste seiner Geschenke. Inga blieb unbeschenkt. Die Mutter und Konradine dachten, er hätte auch ihr wohl eine kleine Aufmerksamkeit erweisen können. Er selbst mochte in diesem Augenblicke ebenso empfinden, und um wenigstens abzulenken, zog er ein Büchelchen aus der Tasche, in welchem er mit dem Griffel Allerlei zu skizziren pflegte. Er schlug es auf, und es vor Inga niederlegend, fragte er: „Erkennen Sie das wieder?" — „Ja!" rief sie mit plötzlich hochgerötheten Wangen und zugleich mit Schreck und Furcht, sich verrathen zu haben. — „Was ist es?" fragte Konradine, indem sie aufsprang und über Jnga's Schulter auf das Blatt sah. Inga erklärte es als die Mühle mit dem Garten, wo das Dreiblatteinst übernachtet hatte, müde, hungrig, endlich vergnügt bei frugaler Kost und noch lange gestimmt, den Vollmond über den Bergen herauskommen zu sehen. Da war das große Mühlrad wieder, die Felsen, die Bäume, die ganze idyllisch versteckte Umgebung! — Das Büchlein, in welchem noch einige Erinnerungen aus jenen Tagen eingezeichnet waren, blieb auf dem Tische liegen. Roderich wagte nicht, es Inga — oder auch nur ein Blatt daraus — anzubieten, und sie selbst unternahm es nicht, darum zu bitten. Inzwischen sprach die Mutter ihre Zufriedenheit aus, daß er bei all' seinen Studien zuweilen auch noch zeichne, und Konradine rief: „Jetzt halten wir ihn fest! Er soll uns ein Bild von Inga hinterlassen!" Roderich schien ablehnen zu wollen. Es sei ihm zu schwierig, er werde Jnga's Züge nicht treffen. „Ber
ga Svendson.
such' es nur und mmm dich zusammen!" entgegnete Konradine. „Und zwar sobald als möglich! Morgen schon! An Zeit dazu soll es weder dir noch ihr fehlen!"
Es war um zehn Uhr Abends, zu einer ans dem Lande genügend späten Stunde, als die Familie sich gute Nacht sagte. Inga bemerkte, wie Konradine und Roderich einander nur die Hände reichten und sich zunickten; wie denn überhaupt in ihrem Verkehr nichts von besonderer Zärtlichkeit war. In seiner Abwesenheit hatte sie viel von ihm gesprochen, und bei seinem Empfang war sie voll herzlichen Jubels gewesen; seine Gegenwart erhielt sie in froher Stimmung, aber wer nicht gewußt hätte, daß ein tieferes Verständniß in ihnen lebte, würde aus Konradinens Mienen und Wesen kaum etwas Anderes als die Freude an einem besonders bevorzugten Bruder gesehen haben.
Roderich ging mit der Lampe in sein Museum, neben welchem sich das Schlafgemach befand. Die kleine Flamme erleuchtete den Raum nicht, sie warf nur einen grellen Schein auf den Arbeitstisch, während Dämmerung und weiterhin Dunkelheit herrschten. Er ließ sich einen Augenblick in den Sessel vor dem Tische nieder. Da lag noch der Strauß, von dem er erfahren, daß Konradine ihn gebunden, Inga ihn hingelegt hatte. Er nahm ihn in die Hand und legte ihn an seine Stelle zurück. Aber er konnte nicht sitzen, er brauchte noch Bewegung. Nachdem er den Raum oft genug aus und nieder geschritten, öffnete er die Glasthür, durch welche die nebelkühle Wiesenluft hereinströmte, und hier, an den Pfosten gelehnt, blickte er eine Weile ins Dunkel hinaus. In sein Inneres war ein Riß gekommen, Vergangenheit und Gegenwart fanden keine Vermittelung mehr, und selbst dem festen Willen gegenüber tauchten berückende Fragen und Möglichkeiten auf.
Sein Jngendleben war in wohlgeord-