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Jllustrirte Deutsche Monatsyefte.
sicht zeigte voll blendenden Lichtes; er ^ wußte im ersten Moment nicht, ob es ^ die Augen schmerze, ob er sie nur aus! Ueberraschung abwenden mußte. Was er! selbst nie gedacht, stand plötzlich denkbar i vor ihm, und herüber und hinüber kreuz- ten sich Gedanken, Hoffnungen, Befürchtungen; und das in wenigen Augenblicken. „Hast du dich ihr schon erklärt?" fragte er hastig. „Weiß Jemand bei uns darum?"
„Erklären konnte ich mich bisher nicht," entgegnete Paul, „aber wenn man bei euch schon etwas davon ahnte, sollte es mich unendlich freuen! Ich war bis zum Frühjahr dieses Jahres sehr gebunden, meine Verhältnisse durch schlechte Vormundschaft in Unordnung gerathen; ich hatte einen Proceß zu führen, der dann endlich gewonnen wurde. Zu Ostern erst übernahm ich das Gut, au dem mir früher nicht viel gelegen war. Um diese Zeit erst sah ich Konradine nach langer Unterbrechung wieder, und jetzt erst wurde sie mir theuer. Daun mußte ich in Geschäften wieder fort, und so war es recht schwer, so gute Nachbarschaft zu halten, als ich ^ wohl gewünscht hätte. Den Anhalt habe ^ ich sür meine Wünsche wenigstens, daß > Konradine mir bisher mit Freundlichkeit! begegnet ist." ^
„Wenn aber" — sagte Roderich, seine ^ Erregung zu dämpfen suchend — „wenn aber ihre Neigung nicht mehr zu vergeben wäre?"
„Nicht mehr zu vergeben!" rief Paul erschreckt. „Um Gotteswillen, Roderich — ! Was weißt du? Du bist ihr Bruder, ihr Freund, ihr Vertrauter — rede! Was muß ich hören?"
„Von mir — nichts! Du mußt Kon- radine selbst fragen. Ich aber werde vorher mit ihr sprechen."
„Du willst? Nein, Roderich! Laß das — obgleich mir ein solcher Fürsprecher schon recht sein könnte! Dennoch aber —"
„Dein Fürsprecher? Nein, Paul, diese
Rolle werde ich nicht übernehmen. Auch brauchst du keinen. Das Mädchen, dein du deine Hand reichen willst, darf stolz darauf sein! Ohne deiner zu erwähnen, werde ich mit Konradinen sprechen. Ich will wissen — wie sie überhaupt denkt! Doch es ist spät. Ich muß aufbrechen."
Paul Schellboru war enttäuscht, ja etwas erschreckt über die Wirkung seiner Mittheilung. Er hatte sich die Stunde seines Liebesbekeuutnisses dem Freunde gegenüber als einen Vorgenuß künftigen Glückes erhofft, wo vertrauliches Gespräch ^ Mittheiluug an Mittheiluug reihen und wo man mit der Zeit nicht rechnen werde. Aber Roderich war nicht zu halten. Schon saß er im Sattel, als Paul, nochmals , seine Hand ergreifend, begann: „Roderich!
^ Du bist mir nicht ganz verständlich! Hast du einen Widerwillen gegen meine Ab- ^ sichten?"
! „Nein! Wenn du Glück hast, kann es Glück für uns Alle sein!" Mit diesen Worten sprengte Roderich über den Hof in die jetzt schon dunkle Waldstraße hinein. Er brauchte das Pferd kaum zu lenken, denn es kannte den Heimweg so genau, daß es auch im Finsteren jeden Stein und jede Wurzel zu vermeiden wußte. — Was ging in dieser Stunde, während ein scharfer Wind die Regenwolken verwehte, nicht Alles durch das Gemüth des jungen Mannes! Wenn er sich einen Ausgang der Wirren nach dem Wunsche seines Freundes ! ausmalte, daun war in der That das ! Glück desselben ein Glück für Alle. Daß er Konradinen entsagen könne, so lieb sie ihm war — wie mochte er daran noch zweifeln? Und wenn er sie sich au der Seite eines Anderen denken sollte, wie ^ hätte er einen Würdigeren für sie gewußt als diesen Freund? Sie mußte mit ihm ? glücklich werden! Und dann — das war ^ freilich die Hauptsache — durfte er frei und offen um Inga werben, an deren Zuneigung er ja auch nicht mehr zweifelte.