Heft 
(1881) 300
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Roq nette: I

gegangen, ich sah ihn dem Walde zu schreiten."

So legen Sie es ihm in seiner Ab­wesenheit ans den Arbeitstisch! Ich bitte Sie darum!"

Dieser in Forin einer Bitte gekleidete Auftrag wurde doch im Tone des Haus­herrn gesprochen, so daß Inga keine Ein­wendung wagte. Sie hatte Roderich wirk­lich ausgehen sehen, und so schritt sie nach dem anderen Flügel des Gebäudes zu seinem Museum, welches sie seit der Stunde, da er sie zeichnete, nicht mehr betreten hatte. Aber eine innere Stimme warnte sie vor dem Eintritt, sie kehrte in dem dahinführenden Gange um. Einer von den Dienstboten konnte das Buch auch wohl hineintragen. Sie verwarf den Aus­weg doch wieder, denn sie wünschte keinem von den Leuten einen Auftrag zu geben, der sich auf Roderich bezöge. Rasch ent­schlossen, wendete sie sich zurück, öffnete, trat ein und schritt hastig zum Tische. Zu ihrer Bestürzung aber sah sie in diesem Augenblick Roderich über die Rampe schreiten und die Glasthür öffnen. Vor ihm die Flucht zu ergreifen, wäre zu spät gewesen und hätte er zu ihren Ungunsten deuten können. In seinen Augen aber leuchtete Ueberraschung ans, Freude, un­ermeßliche Freude, wie bei Erfüllung sehnlich erwarteten Glückes.Endlich!" rief er, auf sie zu eilend,endlich sehe ich Sie, spreche ich einmal zu ihnen allein! Bleiben Sie! Um Gotteswillen, bleiben Sie! Hören Sie mich an! Es muß vom Herzen, werde, was da wolle!"

Inga brachte eine Entschuldigung her­vor, erklärte, daß sie nur im Aufträge des Hausherrn sich hierher gewagt habe. Es war ihm gleichgültig, er gab kaum Acht darauf. Sie nur sah er vor sich und erkannte die Möglichkeit, seiner Leiden­schaft Worte zu geben. Ein Augenblick zerbrach alle Schranken des Selbstzwan­ges, der Ueberlegung, mühsam erwogener

ga Svcndson.

Pläne.Du hast meine Liebe längst er­kannt, Inga!" rief er.Ich glaube an die deine! Wir haben uns gefunden und wir gehören zusammen!" Alles von Em­pfindung, was ein Gemüth lange in sich zurückgedrängt und damit nur heftiger, stürmender gemacht hat, gewann jetzt Sprache und drang von seinen Lippen, beredt dahinströmend, eindringlich, dem gleich empfindenden Herzen unwidersteh­lich. Inga streckte wie zur Abwehr die Hände vor sich aus, aber Thränen sprangen plötzlich aus ihren Augen. Er ergriff ihre Hände, er beschwor sie, die Seine zu werden, mit ihm der ersten Glücksminnte endloser Beseligung zu leben! Und Inga fühlte, wie Alles, was sie in sich niedergerungen hatte, fessellos erwachte, zu ihm hinüberdrängte, in ihm zu ruhen, zu leben strebte. Er umschlang sie, und wie vom Taumel erfaßt, warf sie die Arme um seinen Hals, und ihre Lippen fanden einander. Eine Minute verging. Sie redeten nicht, das Wort stockte auf ihren Lippen, als fürchtete es den Zauber zu brechen, der sie, ein berückender Wahn­sinn, in seinen Bann schlug. Jede Rück­sicht, die Welt war vergessen; sie blickten sich Auge in Auge, athmeten Brust an Brust. Es war nur eine Minute, aber sie schien ein Leben aufzuwiegen. Da riß sich Inga aus Roderich's Armen. Ein Schauder erfaßte sie, die Besinnung kam ihr zurück, die Erkenntniß der Schuld, zu welcher sie sich hatte Hinreißen lassen. Aber sie rang nach Worten, sie preßte die Hand auf das Herz und es überrieselte sie kalt.Geliebte! bleib'!" rief er, ihre Hand festhaltend, da sie ihm entfliehen wollte. Ihr aber gab plötzliche Fassung die Sprache zurück:Wehe mir! Wehe mir und dir! Wehe uns Beiden!" Sie entwand ihm ihre Hand, stürzte aus dein Zimmer hinauf in ihr Gemach und schob den Riegel vor.

Roderich war ihr nur mit den Augen