722 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
gegen die Anmaßungen des schwäbischen Bundes schützen. Am 25. Januar 1523 beschloß der Schweinfurter Rittertag, Fürbitte für Sickingen einzulegen. Franz selbst begnügte sich damit, ein „Ausschreiben und Verantwortung" zu veröffentlichen, welches gegen Pfalz gerichtet war, das Verfahren gegen Mainz kritisirte und die Beschuldigung, daß er einen „Bundschuh" aufrichten wolle, entschieden zurückwies. Er habe auch gegen Trier „kein geböfels gsind" (Pöbelgesindel) gebraucht.
Damit erhält denn auch die vielfach gehegte Annahme eines Zusammenhanges der ritterlichen mit der bäuerlichen Bewegung ihren unheilbaren Riß. Zum Uebersluß haben wir den bündigen Beweis zur Hand, daß obige Zurückweisung des Bundschuhes nicht etwa jetzt aus Rücksichten geschah, sondern in Sickingen's Grundansicht lag. Im „Neukarsthans" unterhält sich der Ritter mit einem Bauer, der von einem geistlichen Gericht schwer gestraft worden war und von einer Abrechnung mit den Pfaffen sprach. Hätten sie nur einen Hauptmann! rief der Bauer aus. Worauf Sickingen: Wende man Gewalt an, so würde der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden; „denn du und dein Haus schlahent mit Unvernunft drein." Nachdem dann Sickingen seine Ansicht über der Pfaffen Treiben und Hochmuth stark geäußert, meint wieder der Bauer, da solle man ja „mit Flegeln und Kärsten dreinschlagen." Aber Sickingen mahnt abermals zur Geduld.
Als zwei Jahre nach jenem „Ausschreiben und Verantwortung" die aufrührerischen Bauern dem Sohne Franzens, Hans v. Sickingen, die Führerschaft an- boten, mit dem Bemerken, auch seinem Vater sei gröblich Unrecht widerfahren, ritt Hans ins Lager des schwäbischen Bundes! Der Artikelbrief der Bauern erklärte sich ja auch ebenso entschieden gegen die Adelsprivilegien wie gegen alle anderen; er erkannte keine politische Macht mehr an als die des Kaisers. Vergebens lockte der Staatsmann der Revolution, Wendel Hipler, im Heilbronner „Ver- fassungsentwurf" den Adel mit der Aussicht auf die confiscirten geistlichen Güter. Die Bauern blieben nicht vor den Burgen von Sickingen's Genossen stehen; die Fürsten hatten ihnen das Burgbrechen
gelehrt.* Ohne ritterliche Anführer mußten sie zu Grunde gehen.
Das Reichsregiment, zwischen der Türkengefahr und den inneren Wirren eingeklemmt, suchte noch immer zu vermitteln. Es sandte noch Boten an den Geächteten — hatte es doch daran gedacht, ihm das Commando wider die Türken zu übertragen! — aber die drei Kriegsfürsten ließen sich nichts sagen, und Sickingen, mit verhängtem Zügel dem Abgrunde zusprengend, blieb störrisch und unzugänglich. Und noch hieß es, er sei „dem ganzen Reich ein Schrecken".
Franz befand sich auf dem neubefestigten Landstuhl, von wo aus er zu operiren gedachte, während die Feinde sich an der Eberuburg die Köpfe einrannten. Am 23. April lagen die drei Fürsten vor der Stadt Kreuznach. Aber Sickingen hatte sie nicht getäuscht: sechs Tage nachher standen sie vor Landstuhl. Hutten und Bucer waren zur Vorsicht von der Eberuburg entfernt worden; Schwicker v. Sickingen betrieb den Entsatz von Landstuhl; Hans Konrad, der jüngste Sohn, wurde entfernt und in Sicherheit gebracht. Der Vater verschmähte die noch mögliche Flucht.
5000 Knechte, 1000 Reiter und mächtige Stücke hielten die Burg fest umklammert. Am 29. April begann ein unerhörtes Schießen; nach einigen Stunden krachte die zwanzig Fuß dicke äußere Mauer zusammen. Am dritten Tage der Belagerung traf den die Werke besichtigenden Sickingen ein von einer Kugel losgerissener Balken in die Seite: Lunge und Leber waren bloßgelegt. Man brachte ihn in ein finsteres, aber sicheres Felsengewölbe.
Erzherzog Ferdinand von Oesterreich wollte noch vermitteln. Die Fürsten sagten: nein! Franz schickte einen Parlamentär hinaus; die Fürsten forderten: Franz solle sich mit allen seinen Schlössern ergeben. Jetzt sagte Franz: nein! Zu-
* Auf der Annahme eines solchen, wenigstens geplanten und im Zuge begriffenen Zusammenhangs zwischen Bundschuh und Sickingen's Katastrophe, wobei natürlich Hutten die treibende Seele ist, fußt auch der dramatische Versuch Ferd. Lassalle's: „Franz von Sickingen, eine historische Tragödie", 1859, zweite Auflage 1876 (Berlin, Franz Duncker), der trotz metrischer Holprigkeiten und vieler langstieligen Sechsfüßer sehr schöne poetische Stellen enthält.