Heft 
(1881) 300
Einzelbild herunterladen

728

^ Grün: Franz

letzt kam man überein, daß Landstuhl, Franz und die Ritter sich ergeben, die Kriegsknechte aber freien Abzug erhalten sollten. Er wußte, daß ernicht drei Tage" mehr leben würde, und die Ritter dachte er gegen Gefangene auszutauschen.

Es war der 6. Mai 1523. Am 7. zogen die Fürsten ein und besuchten den sterbenden Löwen in seiner Höhle. Nach­dem sie ihn verlassen hatten, starb er allein, ohne Beichte und Sacrament. Man zwängte den Leichnam Abends in eine alte Kiste und ließ ihn in einer Capelle des Fleckens Landstuhl beisetzen.

Es kann uns kaum noch interessiren, das Schicksal der übrigen Sickingensichen Burgen zu erfahren. Die prächtige, fürst­lich eingerichtete Ebernburg wurde ohne große Mühe genommen. Ludwig von der Pfalz ließ sie in Trümmer und Asche legen. Ueber zwanzig andere Burgen, Eigen- und Theilbesitz Sickingen's, er­fuhren ein ähnliches Schicksal. Die Tra­gödie war zu Ende, aber nur die Fürsten führten das Satyrspiel zu ihrem persön­lichen Ergötzen auf. Als sie auch mit den Bauern aufgeräumt hatten, lagerte sich die Reaction über des Reiches Boden.

-I-

Vom sicheren Standpunkte der Gegen­wart läßt sich leicht ein kühles, wohl- motivirtes Urtheil über die Ideen und Pläne einer längstvergangenen Zeit fällen; die Rechnnngsfehler der Träger jener Ideen sind bis auf die Decimalstellen nachzuweisen; ja, es ist nicht sonderlich schwer, die Geschichte als das Geschick über ganze Richtungen und Bewegungen zu Gericht zu setzen. Was wollte doch das Ritterthnm im sechzehnten Jahr­hundert noch? Warum konnten die Bauern nicht bis zur französischen Revolution warten? Weshalb verständigten sich beide nicht wenigstens zum gemeinsamen Kampfe, oder weshalb hörten die Bauern nicht auf Martin Luther's Brummbaß: Christ­liche Freiheit darf nicht fleischlich werden, keine Gewalt wider die Obrigkeit!

Niemand ließ sich eben belehren, noch heute achten die Völker und Regenten wenig auf die Mahnungen der Geschichte, und gerade diese Schwerhörigkeit und deren Folgen bilden nur zu oft den lei-

von Sickingen.

digen Inhalt der Geschichte selbst. Das Ritterthum stand zwischen aufstrebenden Fürsten, die das Reich zerrissen, und re­bellischen Bauern, die ihr Menschen- und Eigenthumsrecht durch Flammen und Blut hindurch suchten. Die Städte kamen wenig in Betracht; sie fürchteten den Ritter wie den Bauer, nur wenige neigten sich der Sickingensichen Sache vorsichtig zu; nur einzelne, wie Rotenburg a. T., machten gemeinsame Sache mit dem Bundschuh. Die Fürsten haßten die Ritter, fürchteten den Bauer und banden dem Kaiser die Hände. Bauer und Ritter blickten zum Kaiser auf, der andere Dinge im Kopfe hatte und im fernen Nebel verschwand. Die Macht der Fürsten schürzte sich zum Siege, und diese Macht wollte Sickingen brechen, derBrutus", wie man sagte, derCäsar", wie ihn Melanchthon nannte. Er scheiterte. Die Bauern empörten sich wider Fürsten und Adel sie wurden geblendet, durch die Spieße gejagt, ge­hängt.

Selbst der große Idealist der Zeit, des deutschen Wesens kostbarster und reinster Ausdruck, Ulrich v. Hutten, hätte nie an eine Coalition der getrennten Opposi­tionen denken können, wäre nicht das Pa­thos der Reformation eingetreten, welches Städte, Adel und Bauern durchzuckte zugleich aber auch mächtige Fürsten und ihnen einen gemeinsamen Boden unter die Füße gab. Zu dem Gedanken an die Erhöhung der kaiserlichen Macht gesellte sich der Eifer für das Evangelium, gegen Rom. Luther begriff das; im Jahre 1520 wandte er sich in einer seiner köstlich­sten Schriftenan den Kaiser und den christlichen Adel". Die deutschen Ritter, rief er, sollen den christlichen Kampf auskämpfen. An Sickingen persönlich schickte er eine zweite Schrift:Von der Beichte, ob die der Papst Macht habe zu gebieten." Der größte deutsche Ritter wurde protestantisch, und zwar aus inner­ster Ueberzeugung. Nur meinte Luther nicht den Kampf mit den Waffen; von Hutten's Arsenal: Druckerei, Stückgießerei, Pulverfabrik, liebte er bloß die erste Waffe. Gegen die Bauern schrieb der Reformator zornig und ganz im Interesse der Fürsten; als der Bauer nicht hören wollte, ließen sich Adel und Städte von den Fürsten retten, und Deutschland war

46 *