Willkürliche Lebeiisinlßmmgen in der Pflanzenwelt.
Von
August Vogel.
st auch das ganze Wesen der Pflanzennaturen nur einschwaches Schattenspiel der thieri- schen Welt, so liegen doch in der Pflanze Triebe und Eigenthümlichkei- ten, die uns unwillkürlich an die Lebens- Vorgänge im Thierreiche erinnern. In dieser pflanzlichen Haushaltung, welche in dem kleinsten Samenkorn mit verborgener, wunderbarer Kraft waltet — unerklärlich gleich der, welche die Sternenwelt schwebend durch luftleere Räume in ewig gleichen Bahnen führt —, tritt uns eine fremde, unbekannte Welt entgegen; in jeder Pflanze beobachten wir Triebe, die auf Empfindung, auf eine Art besonnenen Strebens hinzuweisen scheinen. Wie die Fähigkeiten des Menschen, geistige und körperliche, nach vorangegangener söge- i nannter harter, an Beschränkungen reicher > Jugend und einer strengen Erziehung, sich i besonders gut entwickeln sollen, so ergiebt sich auch bei manchen vegetabilen Gewächsen eine gedrückte Lage für ihr Gedeihen als zuträglich. Das Walzen des Grasbodens, das Niedertreten der Zwiebelpflanzen in Gärten und dergleichen, wenn auch eine rein praktische Erklärung möglich ist, könnten als Beispiele dafür erwähnt werden. Nach einer alten Regel soll der Bauer sich am Johannistage in seiner: Zwiebelbeeten wälzen, damit „die Zwiebeln recht groß werden." Wächst ja auch die Kamille nach glaubwürdiger Behauptung des berühmten Sir John Fal
staff um so schneller und üppiger, „je mehr sie getreten wird."
Beobachtet man die einzelnen Pflanzen betreffs ihres Vorkommens näher, so bemerkt man bei den einen das Bestreben nach Jsolirung, bei anderen den Trieb nach einer Art von Geselligkeit. Zu den ersteren, welche jederzeit einzeln und dort und da zerstreut wachsen, gehören bei uns in Europa der kletternde Nachtschatten (Kolaaum cknlcamara) , die weiße Lychnis (P)mllni8 äiviea), der Wiesen- knöterich (IWl/Aonum bütorta), die lilienartige Zaunblnme (^ntlisiloum lilwAo) und manche andere. Ganz verschieden hiervon ist der Eindruck derjenigen Pflanzen, die dem Triebe der Geselligkeit folgen, ähnlich dem Triebe der Thiere, sich in Heerden zu sammeln. Wie die Amei- ! sen und die Bienen unter den Jnseeten,
! wie die Raben, die Staare und viele andere Vögel die Geselligkeit lieben, so j giebt es auch eine Menge Pflanzen, die ! stets in einer größeren Anzahl von Jn- ^ dividuen auftreten, große Strecken des Bodens überziehen und andere Arten ! wenig oder gar nicht zwischen sich dulden. Dahin gehören die Kiefernwälder, die Buchen, Eichen, Birken und Elsen, welche unsere Laubwälder bilden; viele Weiden,
^ zwischen denen prächtige Epilobien mit ihren herrlichen Blüthentranben Hindurchblicken; das Haidekrant, welches große Strecken dürren Bodens überzieht; die j Heidelbeere, die den Boden der Nadel-