Heft 
(1881) 300
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776 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

holzwaldungen bedeckt; manche Gräser, wie Rispengras; mehrere Wasserpflanzen, in moorigen Gegenden Torfmoos (8pImZ- nnm pnlu8tl'k>) u. a.

Man weiß, daß es, wie unter den Menschen, Pflanzen giebt, die sich sehr gut, andere, die sich gar nicht mit ein­ander vertragen. So hat die Raute, wie schon Plinius erwähnt, eine Vorliebe für den Feigenbaum und wächst auch in unseren Gärten am liebsten in seiner Nähe; so haßt der Weinstock- den Ret- tig, so meiden sich Eiche und Hasel. Da, wo die Pflanzen familienweise beisam­men wohnen, scheinen sie kräftiger zu ge­deihen, als wenn sie vereinzelt stehen; ihr Wuchs ist, besonders an Bäumen, schlanker, ihre Oberfläche glänzender. Dagegen sind einzeln stehende Pflanzen struppiger, rauher, auf Berghöhen be­haarter. Hierin gleichen die Pflanzen dem Menschen, welcher ja auch durch Ge­selligkeit heiterer, in seinem Aussehen ge­fälliger wird, während Einsamkeit ihn rauher uud wilder macht. Bisweilen wählt sich eine Pflanze gerade nicht die beste Gesellschaft; unter gemeinem Un­kraut ersprießen öfters edle Früchte.

Es wächst die Erdbeer' unter Nesseln auf,

Gesunde Beeren reifen und gedeihn

Am besten neben Früchten schlechter Art."

Ein bekanntes Beispiel von dem Triebe nach Geselligkeit giebt uns der Epheu. Er gedeiht am besten in der Gesellschaft eines Stammes, dem er sich anschließen kann. Wie alle vegetabilen Gebilde strebt zwar auch der Epheu nach oben, dem Himmel, dem Lichte zu; aber allem, ohne Begleitung vermag er es nicht; an einem Stamme muß er sich emporwinden und schlingen, nur an demselben steigt er höher und höher bis zur Spitze hinauf. Je kräftiger und höher sein stützender Geselle aus dem Boden znm Himmel steigt, desto stärker wird auch er, desto näher kommt auch er dem Himmel und grünt so blen­dend und so saftig in der Hitze des Som­mers und im Winterschnee treu vereint mit seinem Gesellschafter, als ob ewiges Leben in seinen Adern fließe. Findet der Epheu keinen Stamm, dem er sich gesellig anschließen kann, so drängt ihn sein socia­ler Trieb, sich an jeden Zweig oder Stein anzuklammern; ohne Begleiter aber kriecht er einsam, elend und unbeachtet

am Boden fort. Ueberhanpt ist der Epheu ein interessantes Pflanzengebilde, an welches sich zahlreiche poetische und Prosaische Sagen knüpfen. Als Dionysos geboren war, schützte ihn eine schnell wachsende Ephenrauke vor den eifersüch­tigen Blicken der Here. Der Epheu diente vor der Verwandlung der Daphne in den Lorbeerbaum zu den Kränzen der Dichter, und noch Horaz singt in seiner ersten Ode:

Mich gesellet Epheu, der Kranz des Dichtcrhauptes, - den Göttern."

Auch bei den ersten Christen hatte der Epheu wegen seines Ausdauerns im Win­ter hohe Bedeutung. Im Mittelalter aber verlor er an Werth; man betrachtete ihn, wenn er an einem gestürzten Baume fortgrünte, höchstens als einen treuen Diener, der seinen gefallenen Herrn nicht verläßt. Auch medicinische Wirkung wurde dem Epheu zugeschrieben. Wer mit Löf­feln, aus Epheuholz geschnitzt, ißt, soll vor Halsweh und Bräune geschützt sein (Hel- wig, Zauberarzt, Seite 84). Bei den Römern war die Meinung verbreitet, Epheulaub verhüte die Berauschung. Jäger erzählen, daß die Wildschweine sich mit Epheu heilen, wenn sie verwundet sind, und daß die Bache zur Erleichterung des Geburtsaetes Epheublätter verzehre. Diesen Beobachtungen zufolge pflegte man finnigen Hausschweinen einen Epheuzweig um den Hals zu hängen, was auch heut­zutage mitunter noch geschieht. Der Epheu, welcher in der griechischen Mythe so vielfältig auftritt, ist zur Zeit fast als eine gefallene Größe zu betrachten; nur in Frankfurt erfreut er sich noch hergebrachter Ehren. Der Eschenheimer Thurm, unter Ludwig dem Bayer 1364 erbaut, ist ganz mit Epheu umwachsen. Schon mehrmals sollte diese alterthüm- liche Stadtzierde abgetragen werden, allein man hielt für gut, der Sage Rechnung zu tragen, nach welcher so lange kein Stein entfernt werden darf, bis daß die herrlichen Epheuranken die Wetterfahne des Thurmes erreicht haben. Doch muß anerkannt werden, daß der Epheu allent­halben neuerer Zeit verdientermaßen grö­ßere Beachtung gefunden, indem man ihn an Fenstern in Töpfen zieht, um auch im Winter einiges Grün zu haben.

Eine mit dem Geselligkeitstrieb ge-