Heft 
(1881) 300
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Vogcl: Willkürliche Lcbensäu

wissermaßen zusammenhängende Eigen­schaft: die Unverträglichkeit oder Kampfbe­gierde, ähnlich wie in der Thierwelt, wird auch den Pflanzen mitunter zugeschrieben. Seitdem Darwin's Lehre im größeren Publikum Gegenstand der Unterhaltung geworden, hört man häufig vomKampfe um das Dasein" sprechen, ja die Lehre des Daseinskampfes wird nicht selten zur Er­klärung einer großen Menge von Lebens- nnd Naturerscheinungen aufgeführt. Wir möchten dem Daseinskämpfe in der anima­lischen Natur eine gewisse Berechtigung keineswegs absprechen, ist derselbe ja doch als selbstverständliche Folge des natürlichen Bestrebens eines jeden Indi­viduums, sich die nothwendige Bedingung seiner Existenz zu sichern und schwächere Concnrrenten fernzuhalten, jedenfalls in Betracht zu ziehen. Verfolgt man in- deß die Beobachtungsresnltate in der Pflanzenwelt etwas genauer, so drängt sich doch die Ueberzeugung auf, daß hier in der vegetabilen Natur ein solcher Kampf eigentlich gar nicht so verbreitet ist, als man anzunehmen gewohnt ist, und daß sogar in vielen Fällen, in welchen die Unterdrückung einzelner Individuen durch kräftigere oder günstiger gestellte Nachbarn klar vorzuliegen scheint, dieses thatsächliche Ergebniß weniger als das Resultat eines Kampfes, sondern vielmehr als ein Ver­schwinden infolge ganz anderer Verhält­nisse hervortritt. Mehrere Beispiele ans der Pflanzenwelt werden dies einiger­maßen zu bestätigen im Stande sein.

Wir kennen den charakteristischen Ein­fluß der chemischen Zusammensetzung des Erdreiches auf die Natur der Vegetation. Bekanntlich gelingt es, durch verschieden­artige Behandlung einer Wiese eine von der ursprünglichen ganz abweichende neue Pflanzenwelt auf derselben zu erzeugen. So z. B. ruft Aschendüngung aus der Grasnarbe die kleeartigen Gewächse, eine Düngung mit gebrannten Knochen die Entwickelung von Raigras hervor u. s. w. Nirgends aber ist die gänzliche Umwand­lung der Vegetation in die Angen fallen­der als auf Torfmooren, welche theilweise von der Cultur berührt worden sind. Die Cultur eines Torfmoores beginnt nach Anlage der Hauptabzugseanäle da­mit, daß das Torffeld mit ein bis zwei Fuß tiefen Gräben durchzogen wird.

ßerungen in der Pflanzenwelt.

Als erste Folge dieser partiellen Trocken­legung ergiebt sich eine sehr bemerkbare Veränderung der Pflanzendecke. Die Halme des sauren Grases verschwinden, und es treten neue kleeartige Grassorten hervor, welche dem Wiesenmoor ein total verändertes Ansehen verleihen. Während es im nicht entwässertet! Zustande eine gleichmäßig graugrüne Decke zeigte, gleicht es nun schon einem von zahlreichen Blü­tchen durchzogenen bunten Teppich. Wir haben hier somit einen mächtigen Unter­schied des Pflanzenlebens ohne weitere Cultur, ohne irgend eine Düngung, aus­schließlich durch Entziehung des stehenden Wassers. Eine ähnliche, nicht minder auffallende Umwandlungserscheinnng der Vegetation zeigt sich auf den Hochmooren. Alsbald nach der Entwässerung ver­schwindet die Krüppelföhre, die Birke tritt auf und bei weiter fortgesetzter Cultur die Fichte und Eiche, ohne daß irgend eine Aussaat stattgefunden hätte. Bei Hochmooren, welche keine Neigung zur Waldbildung haben, erscheinen nach der Entwässerung hochwüchsige Grasarten und zwischen ihnen einige Straucharten, Wei­den und Pappeln. Hier kann doch Nie­mand eine Spur von Kampf erblicken; die Bedingungen des Wachsthums werden durch Wasserentziehung und Düngung gänzlich verändert, und so tritt eine völlig neue Vegetation, aber ohne allen Kampf, in die Erscheinung. Wird ein Boden, wel­cher längere Zeit uncultivirt lag, aufge­brochen und das Erdreich auf einen Hau­sen geworfen, wie solches z. B. bei neuen Straßenanlagen gewöhnlich der Fall ist, so bildet sich nach einiger Zeit eine eigen­artige Vegetation, welche zwar nach Qua­lität und Zusammensetzung des Bodens oder der natürlichen Lage und dem Feuch­tigkeitsgrade verschieden ist, aber bei übereinstimmenden Verhältnissen stets eine gewisse Gleichmäßigkeit in der Vegetation zeigt.

Bei etwas thonhaltigem Kalkboden be­steht die erste Vegetationsperiode gewöhn­lich aus der gemeinen Distel, die oft schon im ersten oder zweiten Jahre mit solcher Mächtigkeit auftritt, daß sie bis­weilen für sich allein schon solche Erd­haufen vollkommen überdeckt. Die ein­zelnen Pflanzen drängen sich dicht an einander, und augenscheinlich findet unter