778 Illustrirte Deutsche Monatshefte.
denselben eine Art von Bestreben statt, sich auf Kosten der Nachbarn auszubreiten, wobei unverkennbar allerdings einige Individuen unterdrückt werden und verkümmern. Besichtigt man aber denselben Erdhaufen im darauffolgenden Jahre, so ist das Bild ein ganz anderes. Die Distel tritt nicht mehr so zahlreich auf, von einer Unterdrückung einzelner Individuen ist keine Spur mehr vorhanden, aber ihre Entwickelung ist auch bei weitem nicht mehr so üppig, als sie im ersten Jahre gewesen, obgleich durchaus keine räumliche Beengung stattfindet. Im dritten Jahre erscheint die Distel nur noch vereinzelt in mageren Exemplaren, während sich zwischen ihnen eine ganz neue Vegetation bildet. In den Waldgegenden am bayerischen Gebirge — wie ich solches zunächst zu beobachten wiederholt Gelegenheit hatte — erscheint gewöhnlich nach der Distel die Belladonna, nach dieser die Walderdbeere, welche längere Zeit hindurch den Boden ganz bedeckt, bis sich endlich zwischendurch vereinzelte Triebe der Himbeere oder der Brombeere entwickeln, die nun das Terrain lange Zeit hindurch behaupte», bis einzelne junge Waldbäumchen, Fichten, Föhren oder Buchen sich dazwischen ausiedeln und am Ende Herren des Terrains bleiben. Ein Kampf zwischen diesen verschiedenen Pflan- zengattuugen ist in keiner Weise bemerkbar, vielmehr scheint jede Art freiwillig der anderen Platz zu machen, sobald ihre natürliche Periode zum Abschluß gelangt. Nur zwischen den Individuen derselben Gattung, wenn solche gleichzeitig massenhaft auftreten, findet kurze Zeit hindurch gegenseitige Bedrängung statt, die man allenfalls, wenn man gerade will, einer Art von Kampf vergleichen könnte.
Noch bezeichnender ist das Verhalten unserer Waldbänme an solchen Orten, an welchen die menschliche Thätigkeit nur wenig in deren Wachsthum eiugreift. Eine jede Wanderung durch die Waldungen in der Nähe der bayerischen Alpen überzeugt uns, daß dieselben ehedem zum größten Theile mit Eichen bestanden waren, daß aber diese Baumart allmälig der Buche, dann der Fichte und zuletzt der Föhre den Platz überlassen hat. Diese Beobachtung wird überdies durch Urkunden, ja selbst durch das Zeugniß aus
der Erinnerung älterer Leute bestätigt. Besichtigt mau diese nunmehrigen Fichten- und Föhrenwaldungen genauer, so findet man bei dichtem Bestände allerdings zahlreiche Individuen, welche aus Mangel an Licht und Raum zurückgeblieben und verkommen sind; man findet aber auch gleichzeitig zwischen den Fichten und Föhren einzelne junge Eichen und Buchen, welche sich in dem dichten Bestände offenbar nicht behaglich fühlen, vielmehr möglichst in die Höhe drängen und daher bei geringen! Umfange unnatürlich in die Länge gewachsen sind und in der Regel nur durch die benachbarten, sie weit überwuchernden Nadelholzbäume aufrecht gehalten werden. Sobald jedoch die Laubbäume so weit emporgewachsen sind, daß sie directes Sonnenlicht erreichen, so kräftigen sie sich in auffälligster Weise binnen weniger Jahre so bedeutend, daß sie sich selbständig aufrecht zu erhalten vermögen, allmälig die Nadelwaldung überragen und zuletzt wieder eine Laubholzwäldnug darstellen. Es sind uns mehrere Waldungen bekannt, in welchen sich nach der Erinnerung älterer Leute und nach den vorhandenen Resten innerhalb eines nicht zu langen Zeitraumes schon zweimal ein solcher Wechsel der gesummten Waldvegetation vollzogen hat.
Was veranlaßt die Pflanzen zu einem solchen freiwilligen, kampflosen Ucberlassen des Terrains nach einer gewissen Zeitperiode an eine andere Gattung? Die einzige Antwort, die man aus eine solche Frage zu erhalten pflegt, ist, daß die Pflanze in dem Boden nicht mehr die nothwendigen chemischen Bedingungen ihrer Existenz finde. In dieser Antwort scheint uns indeß, bis jetzt wenigstens, keineswegs eine ganz ausreichende Erklärung des Vorganges zu liegen. Wenn auch in den Aschenbestandtheileu der Waldbänme notorisch qualitative und quantitative Unterschiede bestehen, so sind diese doch nicht so groß, daß hieraus allein schon ein gänzlicher Wechsel der Vegetation genügend erklärt werden könnte. Eichen, Buchen und Fichten wachsen ebensowohl auf einem humusreichen wie aus humusarmem Boden, es kann also nicht das Vorhandensein einer größeren oder geringeren Menge von Kohleuwasserstoffbestandtheilen (Blätterabfall oder sonstige vegetabile Verwesungs-