Heft 
(1881) 300
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Vogel: Willkürliche Lebcnsäu

producte) der Grund dieser Erscheinung sein. Ebenso wenig kann man behaupten, daß Eiche und Buche stärkere Lebenskraft besitzen als Fichte und Föhre, indem bald die Laubbäume die Nadelhölzer, bald um­gekehrt die letzteren die ersteren ersetzen. Nur wo die inenschliche Thätigkeit för­dernd oder hemmend in das Wachsthum des Waldes eingreift (Anlage künstlicher Pflanzungen, Entfernung der Humusdecke u. s. w.), vollzieht sich das diesem Wechsel zu Grunde liegende Gesetz nicht in be­merkbarer Weise.

Auch hier also findet ein Kampf um das Dasein nur in sehr beschränkten: Maße statt, nämlich vorzugsweise zwischen den Individuen derselben Species, wenn solche mitunter dicht gedrängt stehen. Der Wechsel der Vegetation zwischen verschie­denen Pflanzenspecies dagegen ist im Ganzen nicht Folge eines Kampfes, son­dern nach meinem Dafürhalten Folge eines uns noch nicht näher bekannten Natur­gesetzes. Bestünde in der That ein Exi­stenzkampf zwischen den einzelnen Pflanzen- gattungen, so wäre es absolut unmöglich, daß unsere natürlichen Wiesen, so weit die Cultur des Menschen nicht eingreist, ans einer so zahlreichen Menge der mannig­faltigsten Pflanzengattungen in ziemlich conformen Mischungsverhältnissen sich dar­stellen; längst müßten einzelne Gattungen alle übrigen verdrängt haben. Allem An­scheine nach besitzen uncultivirte Wiesen noch ganz dieselben Pflanzenformen und in derselben Mischung, die sie vielleicht unter gleicher Lage und bei gleichem Klima schon vor Jahrtausenden charakterisirten.

Wenn hiernach die Vorstellungen über den Kampf um das Dasein im Pflanzen­reiche nach unserem unmaßgeblichen Da­fürhalten auf ein geringeres Maß, als man gewöhnlich annimmt, zurückgeführt werden dürften, so möchten andererseits bestimmte, so zu sagen geheime Bezie­hungen der Pflanze zum Menschen nicht in Abrede gestellt werden. Ist es nicht äußerst kennzeichnend für das eigenthüm- liche Verhältniß der Pflanze znm Men­schen, daß es fast kein Kraut, keine Blume, keinen Baum giebt, an welchen nicht irgend eine Sage, das Wohl oder Wehe des Menschenlebens betreffend, haftet? Wir wissen, noch am Anfänge des vorigen Jahrhunderts glaubte man, gewisse Krän-

ßerungen in der Pflanzenwelt.

ter zur sogenannten Pasfanerkunst, näm­lich zum Festmachen gegen Hieb und Schuß, zur Herstellung von Freikngeln u. s. w., benutzen zu können; man glaubte an eine Feuerwurzel von einem hohen Berge in Aegypten mit der vortrefflichen Eigenschaft, vor Feuerschaden zu behüten; denn wenn an das Haus desjenigen, der sie besaß, Feuer gelegt wurde, so ver­brannten nur die znm Anzünden herbei­gebrachten Stoffe, ohne daß Latten und Balken, Heu oder Stroh von den Flammen ergriffen wurden. Die Sage, daß aus Gräbern Blumen sprießen sie ist all­gemein verbreitet und trägt Trost und Hoffnung in sich. Pflanzt man ja doch allenthalben Blumen auf die Hügel seiner Verstorbenen, um den düsteren Herd der Verwesung durch einen freundlichen Schmuck zu umhüllen, um über der Nacht des Grabes einen neuen Frühling zu schaffen, als das Bild einer schöneren Auferstehung. Gern pflücken wir Blumen von den Grä­bern unserer Entschlafenen, um sie als Andenken zu bewahren; nur sollen es so warnt die Sage solche sein, welche man mit eigener Hand gepflanzt, denn sonstkommt der Todte zur Nacht und fordert den Raub zurück". Die meisten Volksgesänge von unglücklich Liebenden schließen damit, daß ihren Gräbern Blu­men und Bäume entwachsen. In anderen Volksliedern wird erzählt, daß Veilchen, Vergißmeinnicht, Reben, Epheu, Linden u. s. w. aus den Grabhügeln emporwuchsen.

Die Unabhängigkeit des vegetabilen Lebens von der innersten menschlichen Natur ist nur eine scheinbare. Zwar kann man wohl fragen: Für wen blüht und duftet die Blume der Einöde? Für wen prangt sie in der Schönheit und hohen Regel­mäßigkeit ihrer Gestaltung, in der bunten Mannigfaltigkeit ihres Farbenschmnckes? Kein menschliches Auge sieht sie, keines Menschen Brust athmet ihre Düfte. Aber sie blüht und prangt und duftet auch in der verlassenen Einöde unbekümmert um menschlichen Beifall. Giebt es doch Men­schen, denen sich die Pflanzenwelt 8it vsriin verbo mit einer bestimmten Zu­neigung zuwendet. Von ihnen sagt man gewöhnlich, sie habeneine glückliche Hand". Der Same, den sie in die Erde legen, geht auf, die Blumen ihrer Pflege gedeihen. Es ist bekannt, daß Blumen