Heft 
(1881) 300
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

bei Kranken die Schönheit bald verlieren, sowie sie auch durch Berührung und Pflege gewisser Personen bald vergehen. Das ist nicht erlernte Geschicklichkeit, nicht besseres Verständniß der Behandlung, das ist angeborenes, bevorzugtes Verhältuiß zur Pflanzenwelt. Niemand zweifelt daran, daß Einzelnen die Fähigkeit verliehen sei, wilde Thiere durch einen Blick, einen Laut zu zähmen, daß es Einzelne giebt, die furchtlos und ohne Gefahr die Höhle des Raubthieres in der Wüste betreten. Man findet die Thatsache nicht ausfallend, daß ein Pferdebändiger sich das wilde Roß der Steppen ohne Gewalt, nur durch ein Wort unterthan mache. Sollte zwischen dem Menschen und der Pflanzenwelt nicht etwas Aehnliches bestehen können? Bleibt es doch immerhin merkwürdig, daß jungen Leuten offenbar das Pflanzen besser ge­deiht als alten, daß namentlich Pfropser behaupten wollen, mit zunehmendem Alter- Verderben ihnen immer mehr Schößlinge an den gepfropften Bäumen, bis ihnen zuletzt gar keiner mehr wachse. Warum sollte nicht auch in der Pflanze ein ge­wisser Jnstinct liegen, der sie nöthigt, ihre oft widerspenstige Natur einem be­günstigten Liebling willig zu unterwerfen? Man weiß, wie schon gesagt, die berühr­ten Verhältnisse auch recht natürlich zu erklären, indem man sie ganz einfach in das Bereich der sogenanntenkAblos 60NV6NU68" verweist. Doch wir wollen es mit Steffens halten, der uns, um den Geist der Natur recht zu erfassen, in die Gesellschaft der Dichter gehen heißt,denn nur in Dieser Herzen ergießt sie sich wahr und offen."

Eine Betrachtung über willkürliche Lebensäußerung der Pflanze, wie sie hier in einigen Andeutungen versucht worden, kann nicht wohl schließen ohne Herein­ziehen der vielbesprochenen Frage:Be­sitzen die Pflanzen ein Wahlvermögen in ihrer Aufnahme der Bodennährstoffe?" Einige Beispiele dürften zur Benrtheilung der Frage beitragen. Zunächst ist es Thatsache, daß in den verschiedenen Pflan­zen verschiedene Mengen der einzelnen

Mineralstoffe gefunden werden, auch dann, wenn sie auf dem nämlichen Boden ge­wachsen sind. Wenn man Kalkpflanzen und Kalipslanzen neben einander säet auf einem fruchtbaren Boden, das heißt auf einem Boden, der beide Nährstoffe in ausreichender Menge enthält, so nimmt die Kalkpflanze vorzugsweise die ihr noth- weudige Kalkerde, die Kalipflanze dagegen das Kali aus dem Boden auf. Dies wird wohl mit einigem Rechte dem Wahlvermögen der Pflanze zugeschrieben; sie wählt mit ihren unterirdisch im Boden umherschleichenden Wurzeln die ihr am meisten entsprechende Nahrung aus. Frei­lich erhebt sich dagegen andererseits ein schwerwiegender Einwurf: Wenn die Pflan­zen unter den ihr zur Ernährung gebote­nen Stoffen wählen könnten, so würden sie sicherlich keine ihrem Organismus feind­lichen Stoffe aufnehmen. Trotzdem ist aber durch zahlreiche Versuche constatirt, daß die Pflanze giftige Stoffe, sobald sie ihr geboten werden, absorbirt. Die Pflanze richtet ihre Wurzelentwickeluug, wie man aus vielen Beispielen erkennt, nach der Natur des Bodens ein. Man hat beob­achtet, daß die Wurzeln in fruchtbarem Boden, wo sie schon in der nächsten Um­gebung Nährstoffe genug finden, von ge­ringerer Ausdehnung sind als in sterilem, wo sie gleichsam ängstlich suchend sich nach allen Seiten und in die Tiefe hin erstrecken muß. Liegt hierin auch nicht ein directer Beweis für Annahme eines Wahlvermö- geus der Pflanze, so zeugt es doch von einem gewissen willkürlichen Bestreben, sich durch weite Ausseudung ihrer Wur­zeln aus der Ferne Nahrung zu holen sie will nicht hungern, und andererseits von einer gewissen Neigung zur Bequem­lichkeit, wenn ihr in nächster Nähe die passende Nahrung zu nehmen ohne Mühe mit sparsam entsendeten Wurzeln vergönnt ist sie will sich nicht unnöthig plagen. Die Pflanze verfährt nach dem etwas leichtsinnigen Molwre'schen Grundsätze:

llv qi'6nck8 mon blori Io ti'ouvö",

und zwar, könnte noch hinzugefügt werden,