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Zeuge dessen diese Monatsschrift, die am 1. Oetober des Jahres 1856 hinaustrat in das Leben jener stillen Zeit mit dem Streben, „den Mangel eines größeren Centralorgans für die nach Volks- thümlichkeit ringende Bildung" auszufüllen; mit der Absicht, „die Wissenschaft lebendig zu machen und sie ins Leben zu tragen" und den „Gegensatz zwischen künstlicher und volksthümlicher Bildung auszugleichen".
Das war es, was unausgesprochen im Sinne der Zeitgenossen lag. Mit Staunen und mit Beifall wurde es aller Orten ausgenommen. Und es begab sich das Wunderbare: Weit über den Kreis hinaus, für den sie bestimmt war, fand die Idee wie die Ausführung gleiche Teilnahme, gleiches Interesse! Nicht als eitlen Ruhmes Herold, sondern als Träger einer heiligen Pflicht muß hier des Mannes Erwähnung gethan werden, der diese Idee erfaßte und mit der ihm eigenen Ausdauer und Begeisterung in überaus ungünstigen Zeitverhältnissen zur Ausführung brachte. Mit tiefer Wehmuth gedenken wir an der Wende des Vierteljahrhunderts des Mannes und zollen den Tribut pietätvoller Erinnerung den Manen George Westermann's! Die „Monatshefte" waren ihm eine aufrichtige Herzenssache, nicht ein Vergnügen oder ein Quell des Erwerbs allein. Ihre Blüthe war sein Glück, ihre Erfolge bildeten die große Freude seines Lebens.. .
Seinen Principien vor Allem hat es diese Zeitschrift zu danken, daß ihr eine ungleich längere Lebensdauer und eine ungleich größere Verbreitung beschieden als allen ähnlichen Unternehmungen, die vorher oder gleichzeitig in Deutschland auftraten, seinen Principien und der Ausdauer und Treue, mit der er dieselben zur Erfüllung brachte, daß ihr die Feier dieses Jubeltages vergönnt ist.
Schon das erste Heft des jungen Unternehmens zeigte den Plan, nach dem es unternommen, ganz und fertig, und scharfsinnige Beobachter erkannten bereits damals, daß hier ein Werk ins Leben getreten, das die Schöpfungen des Jahrzehnts zu überdauern berufen sei. Alle politischen Strömungen der Zeit sollten diesem Werke fern bleiben, alle geistigen Tendenzen der Epoche in demselben mi
ch e Monatshefte.
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verfälscht zum Ausdrucke gelangen! Das war das leitende Grnndprincip George Westermann's.
In jenem ersten Hefte, das sich dem Geiste und der Intention nach von dem vorliegenden dreihundertsten, das der Epilog beschließen soll, kaum wesentlich unterscheidet, gelangten in der That auch alle geistigen Strömungen der Zeit zum Worte. Da kam — der Erste — aus Oesterreich, das bisher hermetisch dem deutschen Literaturleben verschlossen schien, Siegfried Kapper und brachte eine anmuthige Erzählung ans dem böhmischen Leben; ihm folgte aus Süddentschlaud, das auch durch eine geistige Mainlinie vom Norden geschieden war, W.H. Riehl und schilderte in einem interessanten Cultur- bilde die pfälzischen Dörfer; der Norden war durch angesehene Schriftsteller vertreten wie Theodor Mügge, Wilhelm Lübke, der die Architektur der Gegenwart besprach, Adolf Paalzow, der damals bereits die Wirkungen der Elek- tricität in einer geistvollen Studie darlegte, S. W. Dehn, der Johann Sebastian Bach als Polemiker vorführte. Das Ausland hatte H. C. Andersen gesandt, der einen anmuthigen Märchenstrauß spendete; die deutsche Wissenschaft endlich, die die Versöhnung mit dem Leben anbahnen wollte und mußte, ließ ein kräftiges Wort gegen den sich zur Zeit breitmachenden Materialismus durch M. I. Schleiden sprechen, der den Mnth hatte, es zu sagen, daß diese Richtung nicht in naturwissenschaftlichen Fortschritten, sondern in philosophischen Rückschritten ihre Begründung habe. Ihm schloß sich Carl Reel am an, der die Beziehungen der Nerven zu chemischen Vorgängen erörterte, und Moritz Wagner, der einen Besuch bei dem Vulcan Jsalco in Centralamerika in anziehender Weise schilderte.
Und diesen Dichtern und Gelehrten folgten zahlreiche andere Gleichstrebende; kaum ein hervorragender Schriftsteller, der in dem abgelausenen Vierteljahrhundert aufgetreten, ist den „Monatsheften" prin- cipiell fern geblieben; viele der Besten haben hier ihre erste Fahnenwacht gehalten, und die Entwickelung beliebter deutscher Erzähler geht parallel mit der dieser Zeitschrift. Mit Wehmuth gedenken wir auch der Männer, die unserem Unter-