Heft 
(1881) 300
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786 Jllnstrirte Deuts

Zeuge dessen diese Monatsschrift, die am 1. Oetober des Jahres 1856 hinaus­trat in das Leben jener stillen Zeit mit dem Streben,den Mangel eines größe­ren Centralorgans für die nach Volks- thümlichkeit ringende Bildung" auszu­füllen; mit der Absicht,die Wissenschaft lebendig zu machen und sie ins Leben zu tragen" und denGegensatz zwischen künstlicher und volksthümlicher Bildung auszugleichen".

Das war es, was unausgesprochen im Sinne der Zeitgenossen lag. Mit Staunen und mit Beifall wurde es aller Orten ausgenommen. Und es begab sich das Wunderbare: Weit über den Kreis hin­aus, für den sie bestimmt war, fand die Idee wie die Ausführung gleiche Teil­nahme, gleiches Interesse! Nicht als eitlen Ruhmes Herold, sondern als Träger einer heiligen Pflicht muß hier des Man­nes Erwähnung gethan werden, der diese Idee erfaßte und mit der ihm eigenen Ausdauer und Begeisterung in überaus ungünstigen Zeitverhältnissen zur Aus­führung brachte. Mit tiefer Wehmuth gedenken wir an der Wende des Viertel­jahrhunderts des Mannes und zollen den Tribut pietätvoller Erinnerung den Manen George Westermann's! DieMo­natshefte" waren ihm eine aufrichtige Herzenssache, nicht ein Vergnügen oder ein Quell des Erwerbs allein. Ihre Blüthe war sein Glück, ihre Erfolge bil­deten die große Freude seines Lebens.. .

Seinen Principien vor Allem hat es diese Zeitschrift zu danken, daß ihr eine ungleich längere Lebensdauer und eine ungleich größere Verbreitung beschieden als allen ähnlichen Unternehmungen, die vorher oder gleichzeitig in Deutschland auftraten, seinen Principien und der Ausdauer und Treue, mit der er die­selben zur Erfüllung brachte, daß ihr die Feier dieses Jubeltages vergönnt ist.

Schon das erste Heft des jungen Unternehmens zeigte den Plan, nach dem es unternommen, ganz und fertig, und scharfsinnige Beobachter erkannten bereits damals, daß hier ein Werk ins Leben ge­treten, das die Schöpfungen des Jahr­zehnts zu überdauern berufen sei. Alle politischen Strömungen der Zeit sollten diesem Werke fern bleiben, alle geistigen Tendenzen der Epoche in demselben mi­

ch e Monatshefte.

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verfälscht zum Ausdrucke gelangen! Das war das leitende Grnndprincip George Westermann's.

In jenem ersten Hefte, das sich dem Geiste und der Intention nach von dem vorliegenden dreihundertsten, das der Epilog beschließen soll, kaum wesentlich unterscheidet, gelangten in der That auch alle geistigen Strömungen der Zeit zum Worte. Da kam der Erste aus Oesterreich, das bisher hermetisch dem deutschen Literaturleben verschlossen schien, Siegfried Kapper und brachte eine anmuthige Erzählung ans dem böhmischen Leben; ihm folgte aus Süddentschlaud, das auch durch eine geistige Mainlinie vom Norden geschieden war, W.H. Riehl und schilderte in einem interessanten Cultur- bilde die pfälzischen Dörfer; der Norden war durch angesehene Schriftsteller ver­treten wie Theodor Mügge, Wilhelm Lübke, der die Architektur der Gegen­wart besprach, Adolf Paalzow, der damals bereits die Wirkungen der Elek- tricität in einer geistvollen Studie dar­legte, S. W. Dehn, der Johann Sebastian Bach als Polemiker vorführte. Das Ausland hatte H. C. Andersen gesandt, der einen anmuthigen Märchen­strauß spendete; die deutsche Wissenschaft endlich, die die Versöhnung mit dem Leben anbahnen wollte und mußte, ließ ein kräftiges Wort gegen den sich zur Zeit breitmachenden Materialismus durch M. I. Schleiden sprechen, der den Mnth hatte, es zu sagen, daß diese Richtung nicht in naturwissenschaftlichen Fortschrit­ten, sondern in philosophischen Rückschritten ihre Begründung habe. Ihm schloß sich Carl Reel am an, der die Beziehungen der Nerven zu chemischen Vorgängen er­örterte, und Moritz Wagner, der einen Besuch bei dem Vulcan Jsalco in Central­amerika in anziehender Weise schilderte.

Und diesen Dichtern und Gelehrten folgten zahlreiche andere Gleichstrebende; kaum ein hervorragender Schriftsteller, der in dem abgelausenen Vierteljahrhundert aufgetreten, ist denMonatsheften" prin- cipiell fern geblieben; viele der Besten haben hier ihre erste Fahnenwacht gehal­ten, und die Entwickelung beliebter deut­scher Erzähler geht parallel mit der die­ser Zeitschrift. Mit Wehmuth gedenken wir auch der Männer, die unserem Unter-