Epilog.
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nehmen bis zum Tode treu geblieben. Von den Mitarbeitern des ersten Heftes leben nur noch vier; es ist uns ein Stolz und eine nicht geringe Freude, dieselben im nächsten Hefte — dem ersten des neuen Vierteljahrhunderts — in ungebeugter Frische und Rüstigkeit den Lesern mit sehr werthvollen Beiträgen vorführen zu können! Siegfried Kapper, der vor zwei Jahren in Pisa zur ewigen Ruhe gebettet wurde, sandte noch vom Krankenlager aus seiue letzte Arbeit der Zeitschrift zu, der er als Erster zur Seite gestanden; auch diese Studie werden die Leser in dem neuen Hefte finden.
Es war nicht das geringste der Verdienste George Westermann's, daß er Männer zu suchen und zu finden verstand, die sein Unternehmen stützten und förderten, noch mehr aber, daß er sie dauernd an dasselbe zu fesseln wußte. Nur Wenige gingen grollend von dannen, auch diese kehrten meist versöhnt wieder; Alle aber gedenken des Führers, der sie zur Fahne rief, mit inniger Wehmuth und haben dem Ansdruck gegeben, als der Tod ihn vor nun gerade zwei Jahren inmitten seines Schaffens und Ringens aus dieser Zeitlichkeit abrief.
Wenn wir der Mitarbeiter au dem Werke George Westermann's in dieser Scheidestunde gedenken, dann darf aber auch vor Allem der Name Adolf Glaser nicht unerwähnt bleiben, der zweiundzwanzig Jahre lang dem Begründer dieser Zeitschrift als Reda-cteur mit Fleiß und Geschick zur Seite stand und der die Intentionen Westermann's mit seltener Tüchtigkeit auszuführen verstand. Erst als eine Reorganisation des Unternehmens ans Grundlage der veränderten Zeitverhältnisse beabsichtigt und ausgeführt wurde, zog sich der verdiente Mann zurück, um ungestört seinen Studien und poetischen Arbeiten zu leben.
Dem vereinten Streben, das durch die hervorragendsten Kräfte gefördert und gestützt wurde, gelang es bald, die „Monatshefte" zu hohem Ansehen, zu voller Geltung zu bringen. Vornehmlich waren es zwei Richtungen, die in denselben zu größter Blüthe gelangten und um die sie sich bleibende Verdienste erworben haben.
Wenn sich — nach Lessing — Jedermann seines Fleißes rühmen darf, so dür
fen wir wohl auch in dieser Stunde und an dieser Stelle der Verdienste gedenken, die sich diese Zeitschrift um die Pflege der Novelle und, vielleicht als Ergänzung dazu, der Reiseliteratur erworben hat.
Mit Tieck's phantastischen Novellen war die Blüthezeit dieser Dichtungsart in Deutschland dahin. An der Nenblüthe, deren sich die Novelle gegenwärtig in unserer Literatur zu erfreuen hat, haben die „Monatshefte" ihren redlichen An- theil. Dichter wie Spielhagen, Scheffel, Raabe, Storni, Hetffe, Jensen, Roquette, Bodenstedt, Hartmann, Lewald, Riehl und viele Andere haben in dieser Zeitschrift ihre anmuthigsten Schöpfungen veröffentlicht und derselben hierdurch bleibendes literarisches Verdienst verliehen.
Und in gleicher Weise fanden die Ethnographie und die dieser Wissenschaft verwandten Zweige sorgsamste Pflege in den „Monatsheften". Entdeckungen und Forschungen von großer Tragweite wurden hier zuerst veröffentlicht; was diese Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde gewirkt, ist von Autoritäten dieser Wissenschaft wiederholt ausgesprochen und anerkannt worden.
So gelang es im Laufe der Jahre vor Allem, einen Leserkreis zu schaffen, wie ihn größer vordem noch keine deutsche Monatsschrift gehabt, und einen Mitarbeiterkreis, der die Zierden der Literatur und Wissenschaft in sich schloß. Aber George Westermann's Art war es nicht, mit Erreichtem und Errungenem sich schlechthin zufrieden zu geben und in voller Rüstigkeit zu feiern. In genialer Weise erfaßte er — wie er vor mehr denn einem Jahrzehnt die in der Generation lebende Idee erfaßt hatte — nun auch die neue Zeit, die inzwischen heraufgezogen war und die auch das Morgen- roth einer neuen Literaturepoche verhieß! Kaum waren die ersten Heldenthaten deutscher Waffen ausgeführt, als er — am 21. August 1870 — in diesen „Monatsheften" verkünden ließ: „Erst wenn der deutsche Staat ein Ebenbild des deutschen Heeres geworden ist, dürfen wir zur Siegesfeier schreiten. Vergönnt uns aber ein gnädiger Gott auch diesen Schritt zu thun, dann wird man vom Jahre 1870 eine große Epoche datiren, und ihr tiefster Sinn wird den Sieg der germanischen
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