Heft 
(1878) 08
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Der südamerikanische Kiseriöaknkönig. Nv^i7vi°^

Am 29. September hat in Lima, der Hauptstadt Perus, ein Mauu für immer die Auge» geschlossen, dessen Name in Amerika einen gleichen Klang hatte, wie bei uns der Name Straus­bergs. Und in der That hat die Laufbahn von Henry Meiggs viel Aehnlichkeit mit jener Strausbergs; beide arbeiteten sich aus kleinen Anfängen heraus, beide zeigten einen weiten Blick, schufen großartige kühne Werke, beide brachen zusammen, wur­den von der Welt verspottet, verlacht, verwünscht. Was Meiggs betrifft, so wußte er nach wiederholten Bankerotten sich wieder aufzuraffen und was er verloren, hundertfach wieder zn ge­winnen, so daß er als einer der reichsten Männer Amerikas gestorben ist. Ihm bot sich auch ein unendlich größeres Feld für seine schöpferische Thätigkeit dar, als seinem europäischen Doppelgänger, der auf dem schon über und über mit Eisen­bahnen bebauten Boden Europas seine genialen Pläne dnrch- führte, während Meiggs den jungfräulichen Boden des süd­amerikanischen Welttheils sich znr Schaubühne seiner Thaten auserkor und hier allerdings Erstaunliches fertig brachte.

Das Leben des Mannes, von dem wir hier sprechen, war ein höchst abenteuerliches. Auch fehlt in ihm ein schwarzer Punkt nicht, der ihn in Europa wenigstens für alle Zeiten unmöglich gemacht haben würde, während in Amerika der spätere Erfolg sein Verbrechen vollständig sühnte.

Henry Meiggs wurde am 7. Juli 1811 zn Catskill im Staate New-Iork geboren. Er widmete sich der kaufmännischen Laufbahn und betrieb zn Boston und New-Aork einen schwung­haften Holzhandel, bis das Jahr 1837 mit seiner Finanzkrisis ihn zum ersten Male zur Einstellung seiner Zahlungen zwang. Frisch ging er in Williamsburg wieder ans Werk und hier glückte es ihm, den Bau der neuen St. Marknskirche über­tragen zu erhalten; rasch arbeitete er sich wieder empor, machte aber 1842 zum zweiten Male Bankerott.

Bis hierher hatte sein Lebenswandel nichts besonders aus­fälliges. Amerikaner, die 30 Jahre alt und zweimal bankerott sind, kommen häufig genug vor. Eine Aenderung trat für Meiggs erst ein, als 1849 die Goldfelder Californiens ent­deckt wurden und der Strom der Auswanderung sich nach Westen zn ergießen begann; als der neue Staat am Stillen Weltmeer gleichsam wie ein Pilz über Nacht emporschoß und im Handumdrehen ein Vermögen verdient werden konnte.

Der ehemalige Holzhändler überschaute mit weitem Blicke die Lage.Ich calculire," so sprach er zn sich,daß in Cali- fornien tausende und tausende zusammenströmen. Diese tausende wollen wohnen, finden aber in dem nncivilisirten Lande keine Häuser. Wohlan, ich schaffe schnell Häuser für die Obdachlosen und lasse sie mir gut bezahlen."

Gesagt, gethan. Meiggs raffte alles zusammen, was er bekommen konnte, befrachtete ein Segelschiff, dieNiantie", mit Bauholz und Bangeräthen, segelte um das Cap Horn und kam im Juli 1849 bei dem damaligen Dorfe San Franzisko an, wo gerade die ersten hohen Wellenschläge des Goldfiebers alles in Taumel versetzten. Meiggs verkaufte seine Ladung mit einein Reingewinn von 50,000 Dollars, die er sofort gewinnbringend verwendete. Trotzdem Arbeitskräfte buchstäblich mit Gold aus­gewogen wurden, da alles in die Minen strömte, wo ja das verführerische Metall im Sande lag, wußte er sich 500 Leute zn verschaffen, mit denen er an der sogenannten Contra-Costa an der Bai von San Franzisko Holz fällte, das in einer eigens von ihm in dieser Stadt erbauten Sägemühle zu Balken und Brettern umgestaltet wurde. Nun war er gerüstet und sein Geschäft sicherer als das der Goldgräber.

Wenn irgendwo bei einer Goldgrube, die sich als aus­giebig. anließ, Menschen in größerer Anzahl sich einfanden, war Meiggs sofort zur Stelle und ließ die im voraus zu­bereiteten Balken, Bretter, Latten, Schindeln, Glasfenster zu­sammenfügen, so daß binnen wenigen Tagen eine Anzahl von Häusern dastand, mit Küche und Geschirr aller Art. Wer nun Gold gesunden, ein reicher Mann in der Wüste geworden, sehnte sich nach einem Obdache, und so kam es, daß für Meiggs Bret­terbuden in den Goldminen höhere Preise gezahlt wurden, als

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für Steinhäuser in großen Städten. Als die Straßen sich mehrten, aus den Dörfern von Breterbuden kleine Städte er­wuchsen, wußte Meiggs allen neuen Anforderungen entgegen- znkommen. Er lieferte ein großes Hotel in sechs Tagen, eine Spielhölle in 24 Stunden; für ein Rathhaus hatte er etwa acht Tage nöthig. Natürlich alles aus Holz und nach der Schablone aber für die neuen Städte genügend. Auch Galgen, welche einen gesuchten Artikel bildeten, weil man fast täglich Diebe oder Mörder zn hängen hatte, lieferte Meiggs in solidester Waare. Als Geschäftsmann war er durchaus coulant und als Mensch allgemein beliebt.

In Calisornien trat damals, nachdem die Flut hoch- gegangen war, eine tiefe Ebbe ein. Die Werthe sanken, kamen nach und nach auf den richtigen Stand herab, und ruhige Ge­schäftsleute trugen den neuen Verhältnissen Rechnung. Nur Meiggs, durch seine großen Erfolge verblendet, dehnte feine ohnehin schon vielfach verzweigten Geschäfte noch weiter aus und erklärte, daß er sich vorgenommen habe, der reichste Mann am Stillen Ozean zu werden. Damals ging jenes Wort noch nicht in Erfüllung und statt reicher zn werden, kamen Verluste auf Verluste. Er zahlte indessen, bis er nicht mehr konnte aber vom 5. Oktober 1854 ab wurde er in San Franzisko nicht mehr gesehen.

Schon vorher waren seit mehreren Wochen ungünstige Ge­rüchte über ihn im Umlauf gewesen, und als er verschwunden war, ergaben die Untersuchungen, daß er gefälschte Stadt­obligationen im Betrage von 900,000 Dollars in Umlauf ge­setzt hatte. Darauf trat eine Art Panik ein, man wollte den Flüchtling, von dem man erfuhr, er habe sich auf der Bark Amerika" eingeschifft, auf der See verfolgen, konnte ihn aber nicht einholen. Es ist charakteristisch, daß dann, als er fort war, natürlich auf Nimmerwiederkommen, manche Geschäfts­leute, welche selbst mit eigener Hand Wechsel unterschrieben hatten, ihre Unterschriften jetzt für Fälschungen ausgaben, die Meiggs begangen haben sollte.

Dies ist der dunkle Fleck in dem Leben des merkwürdigen Mannes. Wir wollen gleich hinzufügen, daß er später, soweit dies anging, den verursachten Schaden wieder gut zu machen bemüht war doch nach Calisornien durfte er niemals zurück­kehren. Der Schauplatz seiner Thätigkeit lag jetzt in Süd­amerika.

In Chile, wohin Meiggs sich nun wandte und wo er sicher war, begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt und eine durchaus ehrenhafte Laufbahn. In der Hauptstadt Santiago, wo er mit einflußreichen Staatsmännern bekannt wurde, be­wies er, daß gerade für ein Land von der Lage und Boden­beschaffenheit Chiles ein ausgedehntes Eisenbahnnetz nothwendig sei. Man ging auf seine Pläne ein und übertrug ihm den Ban des Schienenweges zwischen der Hauptstadt und dem Hafen Valparaiso. Er überwand bei demselben alle Schwierigkeiten und gab den Anstoß zu neuen Unternehmungen. Jene erste Bahn ist ein großartiges Werk und man hat die Arbeiten, namentlich was die Brücken anbelangt, mit jenen auf dem Semmering verglichen. Englische Ingenieure hatten die Kosten dieser Bahn auf 27 Mill. Doll, und die Bauzeit auf acht Jahre berechnet. Die Länge betrug 33 englische Meilen, und Höhen von 1500 Meter waren zu überwinden. Meiggs aber voll­endete das Werk in vier Jahren für 12 Millionen Dollars und hatte einen Reingewinn von 1,320,000 Dollars.

Nun stieg sein Ruhm wieder, und die Regierung von Peru, welche reichen Gewinn ans ihren Guanolagern zog, und Geld verfügbar hatte, lud Meiggs ein, das Land mit Eisenbahnen zu versehen. Hier, wo die Cordilleren das eigent­liche große Gebiet mit seiner Ueberfülle von Produkten wie eine ungeheure Schranke vom Meere absperren, waren Schwierig­keiten im Eisenbahnbau zu überwinden, wie sie nirgends wieder in der Welt Vorkommen, denen gegenüber die nordamerikanische Pacifiebahn und unsere Alpenbahnen in den Schatten treten müssen. Aber Meiggs schreckte davor nicht zurück und begann 1867 den Bau der peruanischen Eisenbahnen; bis zn seinem