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Strahlen zu ersticken drohte. Auch uns, ich meine meinen Gefährten Jim und mich, die wir in einen: engen schmalen Seiten- thälchen, welches von einem klaren sprudelnden Bächlein durch- swömt wurde, die Goldwäscherei betrieben, auch uns wurde unser ohnehin mühseliges Tagewerk zu sauer, und entkräftigt und entmuthigt ließ ich endlich die Schaufel sinken. „Wie be- hagt Dir der Gedanke, Jim," so hob ich an, „wenn wir heute unsere Provisionen vervollständigten, denn keinen geeigneteren Tag könnten wir finden, eine Pause im harten Tagewerk zu machen und unsere Vorrathskammer aufs neue zu füllen?
Ich wandere mit dem Zwergsack in die Stadt, während Du den Goldstaub zusammenbürstest und den Trog reinigst zur morgigen Arbeit." Jim, der schon anno 1848 die „Plains gekreuzt" hatte, also ein echter rechter Pionnier und ein Goldsucher war, wie er „im Buche steht", schob sein Priemchen nach dem anderen Mundwinkel und sprach dann das große Wort gelassen aus: „Hast noch nie, so lange ich Dich kenne, mein Junge, einen so gesunden klaren Gedanken gehabt." So war denn das beste Einvernehmen besiegelt, und den Worten folgte rasch die That. Jim warf noch einige Schaufeln Schlamm in den langen schmalen Trog, durch den wir das Wasser des Bächleins lausen ließen, nachdem wir dasselbe gut abgedämmt hatten, und ließ sie, durch die also gefaßte und darum mächtiger strömende Wasserrinne „klären", wie der technische Ausdruck ist, d. h. das Wasser spült sämmtliche Bestandteile weg, mit Ausnahme des schweren Goldes, das niederfällt auf den Boden, auf welchen 3 bis 4 Leisten aufgenagelt sind, damit das werthvolle Metall besser haften bleiben kann. Dann hob Jim den Trog aus, bürstete ihn durch und ließ zum Schlüsse noch Quecksilber durchlaufen, das bekanntlich das Gold auzieht wie der Magnet das Eisen. Das Quecksilber wird später in einer Retorte abgedampft und in kaltem Wasser kondensirt. So ist es zu neuem Gebrauche geeignet und muß hundert Mal demselben Zwecke dienen. Aller Goldstaub aber wird sorgfältig in einem ledernen Beutelchen gesammelt und beim ersten besten Bankhause im nächsten Städtchen verwerthet. Das ist die äußerst einfache Operation, die dem Goldwäscher obliegt und welche nun mein Freund Jim mit kundiger Hand erfüllte.
Bald war denn auch gethan, was von seiner Seite ge- than werden mußte, und wie das Vöglein in den Zweigen, so mochte er sich nun gütlich thun. Nicht zwanzig Schritte von unserem dürftigen Bretterhüttchen, das uns beiden zur Wohnung diente, in der Mittagssonne aber eine Hitze in sich barg, die mit einer ägyptischen Brütanstalt konkurriren konnte, stand eine mächtige Lebenseiche mit dichtem Blätterschmuck und darum prächtigen Schatten gebend. Dieses Plätzchen erkor sich Jim, der süßen Ruhe zu pflegen. Selbstverständlich griff er zuerst nach seiner Trösterin, der landesüblichen kurzen Kalkpfeife und aus den unergründlichen Tiefen seiner Hosentasche holte er den Tabak, bei dessen Anblick mich schon ein leises Gruseln durchlief. In der Form eines Filzes, wie er zu Untersätzen für Biergläser gebraucht wird, mehr schwarz wie braun, so wird er stückweise abgeschnitten, um sowohl gekaut wie geraucht zu werden. Und welches Parfüm! Keine Fliege, kein Mosquito wagt sich an den heran, der die schwarzgrauen Wölkchen von sich bläst und die Kraft dieses Dreimännertabaks auf sich wirken läßt. Und eine aufregende Kraft ist es, die dieser schwarzbraune Tabakkuchen enthält, so aufregend oft, daß er das ganze Nervensystem in Mitleidenschaft zieht. Aber das ist es gerade, was des Goldgräbers Herz erfreut. Alles, was er genießt, muß wirken bis ins Mark der Knochen hinein, sonst findet es keine Gnade vor seinen Augen. So ist sein Tabak, so sein Brandy und sein Kaffee, und wenn Jim und ich oft einen getrennten Tisch führten, so geschah es nur aus Ursachen, die mein Freund Geschmacksverirrung nannte, die in Wahrheit aber nur in meinem Widerwillen gegen scharfe feurige Gewürze bestand. Händevoll vom scharfen rothen Cayennepfeffer verbrauchte Jim zu seinen Mahlzeiten, und wenn der Mund nicht feuerte und flammte, dann tadelte er scharf seine eigene Kochkunst.
So streckte sich denn Jim behaglich unter die Lebenseiche und träumte, wie das so seine Gewohnheit war, von goldenen Bergen, die die Zukunft bringen müsse. Aber auch von einer
XIV. Jahrgang. 21. an.*
verlorenen Vergangenheit, von einen: zerbrochenen Lebensglück hatte er zu träumen. Wie oft hat er sich in den jähen Wechsel von reich zu arm finden müssen, wie oft hat ihm ein unfreundliches Geschick die Früchte seines Fleißes entrissen und wie oft hat er auch sein Glück mit eigener Hand zertrümmert!
Im gesegneten Virginien geboren, hat ihn, den jungen hochstrebenden Mann, im Jahre 1848 das Goldfieber erfaßt und gläubig seinem Stern vertrauend, hat er die „Plains gekreuzt". Eine solche Reise hatte damals — jetzt ist es durch die Eisenbahn anders geworden — kein Seitenstück an Mühen und Gefahren. Jim blieb keine Entbehrung, keine Todesgefahr erspart und den Becher der bittersten Noth hat er bis auf die Neige leeren müssen. Als aber die dunkeln, majestätischen Wälder der Sierra Nevada einmal hinter ihm lagen, da begann ihm das Glück zu lächeln. An einen: Seitenflüß- cheu des American-River hat er manche Unze Goldstaub gewaschen, und schließlich wurde er so wohlhabend, aber auch so unternehmend, daß er eine Goldmine, d. h. eine goldführende Quarzader mit der dazu gehörigen Quarzmühle kaufte und sich nun als einen gemachten Mann betrachtete. Aber es ging mit dieser Mine, wie es mit hundert andern Minen ging und noch geht. Sie bereichern die Welt mit Gold, allein ihre Besitzer werden arm dabei, da die Ausbeute die hohen Kosten nicht deckt. Auch Jim machte seine Mine nach Jahresfrist zum armen Manne und so griff er denn wieder zur Schaufel und wusch Gold aus den: Flußsande, das sich damals, als die Goldausbeute in Californien noch 65 Millionen Dollar pro Jahr betrug, noch besser rentirte wie jetzt, wo das Ergebniß auf 18 Millionen zusammen geschrumpft ist. Und wieder sammelte Jim ein kleines Vermögen und spekulirte — er befand sich ja im Lande der wüstesten Spekulation — in Minenaktien. Jedes Dienstmädchen spekulirt ja in Californien in Minenaktien, warum sollte es nicht auch Jim thun? Aber Jim wurde arm, bitter arm bei diesem ungewohnten Geschäft. Wieder griff er zur Schaufel, und wieder wusch er Gold und wieder erarbeitete er sich ein kleines Kapitälchen.
Da war er eines Abends mit seines Gleichen zusammen und als einer — so zum Zeitvertreib nur — des „Teufels Gesangbuch" aus der Brusttasche holte, da war es um Jims Glück geschehen. Sie alle spielten, und er wollte ja nicht besser sein wie die übrigen, warum sollte er nicht mitspielen? Als der Morgen graute, war Jim wieder ein armer, ganz armer Mann. So hat er noch mehrmals den jähesten Glückswechsel an sich erfahren, und als reiche Goldlager in benachbarten Territorien entdeckt wurden und alle echten Goldsucher dahin aufbrachen, da schloß sich auch Jim von dieser Aufregung — so nennen sie es hier — nicht aus. Da gab es eine Jdahoaufregung, eine Montanaaufregung, eine Arizonaaufregung re., und Jim hat alle diese „Aufregungen" mitgemacht, hat Gold gefunden und auch wieder verloren, und ist schließlich nach Californien zurückgekehrt, um wieder und wieder dem Schicksal Trotz zu bieten. Jim hat — und auch das ist charakteristisch für den kalifornischen Goldminer — trotz der vernichtendsten Schicksalsschläge Muth und Hoffnung nicht verloren und so sucht er denn mit mir aus dem klaren frischen Bächlein Gold zu waschen, Tag für Tag, und unverzagt, obgleich es augenscheinlich ist, daß wir nicht als reiche Leute jenes stille waldumgürtete Thälchen verlassen werden.
Mit diesen Gedanken beschäftigt, war ich, mit dem Zwergsack auf dem Rücken, bis zur Stadt gekommen. Die Stadt, so nennen wir nämlich die drei Häuser, welche da im Thalkessel vor mir lagen, und obgleich noch keine Stadt im europäischen Sinne des Wortes, so hat sie doch die besten Vorbedingungen, eine zu werden. Denn wo an dieser Küste einmal eine Schmiede, ein Krämerladen und ein Wirthshaus beisammen stehen, da krystallisirt sich leicht ein Städtchen um diesen Kern. Fast alle californischen Städte sind ja so entstanden. Auch das ist charakteristisch, daß in einer solchen Stadt die Schmiede von einem Irländer betrieben wird, die Krämerei beinahe selbstverständlich einem Amerikaner gehört und in der Wirth- schaft — braucht man Wohl noch zu fragen? — da schaltet und waltet ein deutscher Landsmann, der in vorliegendem