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unfruchtbaren Boden, als mir eines Tages der Superintendent von Wells, Fargo L Co. mit den Worten auf die Schulter klopfte: „Höre, Jim, ich habe Dich bei einer andern Gelegenheit als beherzten Manu kennen gelernt, wie wäre es, wenn Du uns Prinz Carl todt oder lebendig zur Stelle schafftest? Tausend Dollar setze ich als Preis, sie sind Dein, wenn Du den gefürchteten Menschen unschädlich machst. Ich überlegte mir die Sache eine Minute, dann sagte ich: „Superintendent, machen Sie 1500 Dollar daraus und ich will mein Bestes thun." Unbedenklich sagte er es zu, und es war nun meine Sache zu überlegen, in welcher Weise ich ein Zusammentreffen mit meinem Gegner arrangiren konnte. In Nubaconnty — dafür hatte ich meine sicheren Anzeichen — mußte er bald wieder austauchen, und so beschloß ich denn mit der Postkutsche mehrmals durch dieses County zu fahren; die Gelegenheit mit Prinz Carl abzurechnen wird sich dann schon finden, dachte ich. Ueber mein Vorhaben selbst bewahrte ich ein strenges Geheimniß, deshalb ließ ich mich auch stets als Passagier, der seine Passage bezahlt, einschreiben. Auch meine Bewaffnung war sehr einfach: ein Karabiner und ein Bowiemesser, denn ich vertraute ! mehr auf meine Stärke und Gewandtheit, als auf eine größere Anzahl Waffen.
„Eines Tages theilte mir einBeamter von Wells, Fargo L Co. mit, daß eine besonders reiche Sendung Goldstaub nach dem Thal hinuntergeschafft werden sollte. Ich verstand diesen Wink. Ich stellte mich zur rechten Zeit ein, bezahlte meine Passage ! und besah mir nun zunächst meine Mitreisenden. Es waren ! sechs robuste, gebräunte Gestalten, bewaffnet bis an die j Zähne, so daß sie mir das beste Vertrauen einflößten. Auch der Kutscher, der uns fahren sollte, hatte eine gewisse Berühmtheit erlangt, wegen seiner oft verzweifelten Versuche, den Händen der Räuber durch halsbrecherische Fahrgeschwindig- j keit zu entgehen. Aber der Schein trügt, so konnte ich in Be- j treff meiner Mitreisenden sagen, und als es zum Klappen kani, da versagte auch der Kutscher mit all seiner Berühmtheit. Wir stiegen ein, ich zuerst, dann meine Gefährten, und wir alle waren ernst und schweigsam, als ahnten wir die Ereignisse, die da kommen sollten. Der Kutscher, der an jenem Tage auch merkwürdig einsilbig war, schwang sich auf den Bock und trieb sein Viergespann zu einer jener schwindelerregenden Fahrten an, wie man sie nur im californischeu Gebirge mitmachen kann, denn wohl nirgends in der Welt finden sich diese geschickten aber oft auch strafbar tollkühnen Pferdelenker noch ein zweites Mal.
„Unsere Fahrt ging glatt von statten, bis wir an eine Stelle gelangten, wo die Straße eine bedeutende Steigung zu überwinden hatte und die Pferde nur langsam die Höhe erklimmen konnten. Noch war der Kamm des Bergrückens nicht erreicht, als hinter einem Manzanitabusche ein mittelgroßer, schwarzhäriger, schwarzäugiger, schwarzbärtiger Mann hervortrat, mit drohend angelegter Büchse dem Kutscher ein donnerndes Halt zurief und ihm gebieterisch befahl, sofort vom Bocke zu steigen und sich an die Hinterräder des Wagens zu stellen. Das war Prinz Carl; so hatte ich denn meinen Mann gefunden, und die nächste Minute mußte entscheiden, wer von uns beiden am Platz bleiben sollte. Der Kutscher erschien am Hinterrad, wie ihm befohlen war, bleich und zitternd wie Espenlaub; es war vorbei mit seiner sprichwörtlich gewordenen Verwegenheit. Was werden meine Gefährten thun? Noch hatte ich diesen Gedanken nicht vollständig ausgedacht, da riß auch schon Prinz Carl die Thüre des Wagens auf und gab in schroffem harten Tone den Befehl, sämmtliche Waffen abzulegen und auszusteigen, und meine Gefährten, die sechs Hünengestalten, thaten ganz so wie er es j befahl. Sie legten ihre Revolver und Bowiemesser aus die Sitze nieder, stiegen aus und ließen sich von dem schwarzen Schurken noch zum Hohne in Reih und Glied zehn Schritte abseits vom Wagen aufstellen. Da standen sie bleich und zitternd, bereit, geduldig jedes Schicksal entgegeuzunehmen, das Prinz Carl über sie verhängen würde. Nun kam die Reihe an mich. Ich bin sonst beherzt, allein so wahr ich ein Sünder bin, die Knie schlotterten nur und die Beine versagten mir fast den ! Dienst, als ich aussteigeu mußte, zum Kampfe auf Leben und
Tod mit dem gefürchtetsten Menschen in diesem Lande. Ich nahm meinen Karabiner in die Hand und hielt ihn auf den Rücken, denn ich hoffte ihn so den Blicken meines Gegners entziehen zu können. Das gelang mir auch, bis ich den einen Fuß schon auf dem Wagentritt hatte, dann aber bemerkte er meine Hinterlist und drohte mir sofort das Hirn auszublasen, wenn ich meine Waffe nicht ablegte. Doch ich ließ ihm hierzu keine Zeit; mit einem behenden katzenartigen Sprung schwang ich mich aus dem Vehikel und zugleich um die Hinterräder herum. Zwei Kugeln Pfiffen hart an mir vorbei, als ich mich unter den Wagen warf und nach den Vorderrädern kriechend, mich auf der andern Seite wieder aufraffte, um das Gespann zu umkreisen, denn ich hoffte so Prinz Carl in den Rücken zu kommen. Aber unglücklicher Weise hatte sich der zur Verfolgung nach dieser Seite gewandt, und so stand ich ihm denn für einen Moment Auge in Auge gegenüber. Aber nur für einen Augenblick, dann hatte ich auch schon, ehe ich es hindern konnte, eine Kugel in dem rechten Schulterknochen sitzen; ich trage heute noch die sichtbare Narbe davon. Herr Gott, war das Blei heiß; und groß wie ich bin, warf cs mich den langen Weg auf den Erdboden. Das war zugleich meine Rettung, denn eine zweite Kugel sollte denselben Weg nehmen, verfehlte aber deswegen ihr Ziel. Es galt kein Besinnen und Zaudern. Schlangenartig wandte ich mich unter den Pferden durch, überall Deckung suchend, denn Prinz Carls Revolver ging wie eine Kaffeemühle, aber jeder der Schüsse, die er in höchster Erregung abfeuerte, verfehlte das Ziel. Ich hatte meinen Karabiner immer noch in der Hand und wollte nun unter dem Wagen emporspringen, um auch meinerseits einen Schuß abzugeben.
„Mit einem tigerartigen Sprunge wollte sich mein Gegner auf mich Wersen und feuerte noch einen Schuß auf mich ab, aus solcher Nähe, daß mir sein Pulver den Bart verbrannte. Allein die Distanz war zu kurz; er konnte nicht mehr sicher zielen. Jetzt aber wendete sich das Blatt, nun war der Vortheil auf meiner Seite. Ich warf den Karabiner fort und packte Prinz Karl wie mit eisernen Klammern, indem ich ihm beide Arme fest an den Körper preßte. Das that ich mit dem einen Arm, während ich mit dem anderen Arme seine Beine umspannte und ihn dann hoch in die Höhe hob, um den schwarzen Kops jählings auf ein Hinterrad niedersallen zu lassen. Das gab einen Klang, just wie wenn ein irdener Kochtopf in Scherben geht — seine Teufelsseele war in der Unterwelt. Nun halfen mir auch endlich die sieben Helden, welche mich diesen Kampf allein hatten auskämpfen lassen, den ! Leichnam aus das Deck des Wagens ziehen, wo wir ihn mit Stricken sestbanden. In Hellem Galopp ging es so nach der nächsten Stadt, wo ich vor allen Dingen einen mächtigen Schluck Whisky nahm, denn es war mir doch ganz eigenthümlich ge- !
worden. Dann erst ließ ich mir die Kugel aus der Schulter ziehen und stellte mich den Beamten von Wells, Fargo L Co. vor, die mir die 1500 Dollar natürlich auf dem Brette auszahlten. Aber noch eine andere Freude erwartete mich. Ich hörte, der Gouverneur von Californien habe inzwischen ebenfalls einen Preis von 2500 Dollar demjenigen zugesichert, der Prinz Carl todt oder lebend der Regierung auslieserte. Ein- ^ mal im blutigen Handwerk, besann ich mich nicht lange, zog das Bowiemesser und schnitt den Kopf vom Rumpfe herunter, damit ich ihn in Spiritus aufbewahren und später in Sakraments an die Behörden gegen den offerirten Preis anshändigen konnte. Den kopflosen Leichnam aber habe ich einfach in eine alte Kalkgrube geworfen, waren es damals doch noch vernünftige Zeiten, wo man keinen gerichtlichen Scheerereien ausgesetzt war, wie das leider heutzutage geschieht, wenn man einmal eine schwarze Seele in die Unterwelt schickt. Wozu auch? Prinz Carl war todt und keine gerichtliche Verhandlung !
hätte ihn mehr zum Leben zurückbringen können." !
Jim klopfte die Pfeife aus, setzte den alten lebensmüden ! Filzhut etwas mehr „auf Krakehl" und meinte: „Solche Zeiten kommen nimmer wieder, das alte Californien ist dahin und mit ihm auch die Gelegenheit, etwas zu verdienen. Räuber, die man bewundern kann, und namentlich Posträuber Nr. Eins, gibt es überhaupt nicht mehr!"