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In den Auckskinfaöriken der WederlausiH. v
Als im Sommer des vorigen Jahres die Berliner anthropologische Gesellschaft zn einer Ausgrabung sich an dem Opferstein bei Mukwar eingefnnden hatte, erregten in einer mit der Ausgrabung verbundenen Ausstellung prähistorischer Funde einige künstlich geformte gebrannte Lehmsteine mit Recht die allgemeine Aufmerksamkeit; waren sie doch die ersten in Nord- dentschland gefundenen Webersteine, welche nach Beigabe anderer Funde zn schließen, einst einem Germanen der vorslavischen Zeit dazu gedient hatten, die Fäden der Kette eines aufrecht stehenden Webestnhles uiederzuziehem Die Deutschen der Niederlansitz unserer Tage handeln also nur im Sinne der prähistorischen Bewohner unserer Landschaft, wenn sie der Weberei sich befleißigen, nur daß an Stelle der Beinnadcl, welche den Einschlagfaden durch die Nessel- oder Flachskette zog, jetzt das Schiffchen rastlos durch die Wollenkette fliegt. Des wunderbaren Aufschwunges nun aber, welchen die Weberei in der Niederlausitz in den letzten Jahrzehnten genommen, sind sich freilich nicht allzuviel Deutsche bewußt; wenn man in Cottbus selbst Cottbnser Buckskin als ausländische Waare kauft, so ist es eben nicht zn verwundern, wenn die Niederlausitz den ihr gebührenden Ehreuantheil au der Produktion im Bewußtsein des deutschen Volkes nicht errungen hat; wenn Südamerika noch jüngst von der Niederlansitzer Waare verlangte, daß sie über Havre erpedirt werde und auf einem französischen Schiffe die Meeresreise mache, damit sie wenigstens den Schein der französischen Waare für sich hätte; wenn ein großer Theil der deutschen Männer Niederlansitzer Gewand trägt, aber als belgisches, englisches, ja auch französisches Fabrikat. Was nun die Art des hier gefertigten Fabrikates anbetrifst, so hat die Niederlausitz die Herstellung von Tuchen fast ganz aufgegeben; nur Finsterwalde fertigt noch in größerem Maße das einfarbige Tuch, und auch in Guben finden wir Tuchfabriken; im übrigen werden in der Niederlausitz nur farbige und gemusterte Tuche, also Buckskin gefertigt, in deren Herstellung die Niederlansitzer Städte mit einander wetteifern.
Von der Bedeutsamkeit dieser Buckskillfabrikation und dem gewaltigen Material, welches die Niederlausitz auf den deutschen Markt sendet, nach Schweden, Norwegen und Dänemark, nach Süd- und in beschränktem Maße auch nach Nordamerika sowie nach dem Orient, mögen nur ein paar Zahlen sprechen. Im Jahre 1876, in welchem das Geschäft bekanntlich schon ein sehr gedrücktes war, verarbeitete die Mnskaner Fabrik für über eine Million Mark Wolle, Peitz für fast zwei, Guben für etwa zwei und eine halbe Million, Finsterwalde, so viel sich hier berechnen läßt, für sechs bis sieben Millionen Mark. Cottbus hat in jenem Jahre 100,000 Stück Waare gefertigt im Werthe von etwa 13 Millionen Mark; Sprcmberg aber für 16 —17 Mill. und Forst für 20 Mill. Mark.
Die bedeutende Masse von Wolle, welche die Niederlansitz verarbeitet, hat zum großen Theil eine Meerfahrt überstanden; eine immerhin beträchtliche Menge aber ist auf den Schafen gewachsen, welche auf Deutschlands Fluren weiden. Mit Bedauern wird man freilich die Thatsache zu verzeichnen haben, daß die deutsche Wolle nicht mehr in der Schätzung der Fabrikanten den ersten Rang einnimmt; rühmt doch z. B. der Bericht der Cottbnser Handelskammer den australischen Züchtern nach, daß sie bereits eine Wolle liefern, welche an Ausgeglichenheit und edlem Wuchs der bestrenommirten deutschen mindestens gleichkommt, dabei aber bedeutend besser behandelt ist. Ist das aber der Fall, so werden sich die deutschen Schafzüchter über ihre zum Theil negativen Resultate nicht wundern dürfen. Manchen Schritt aber zum Bessern können sie immerhin thun: sie werden auf äußerste Reellität im Verkauf der Wolle ihr Augenmerk zn richten haben, nach einem System züchten müssen, Kreuzungen durchzuführen und das Futter genau zn beobachten und zu regulären haben.
Einen sichern Ueberblick über die Leistungen unserer Buckskinfabrikanten erhalten wir aber nur, wenn wir uns in eine Fabrik begeben, um den Vorgang zu beobachten, wie die Wolle sich in Waare verwandelt. Die Kraft, welche das un
geheure Getriebe in einer Fabrik in Bewegung setzt, ist fast ausnahmslos Dampfkraft. Die Wolle hat einer der bedeutenden Wollmärkte, Breslau, Berlin, Posen, Stettin geliefert, auf welchem der Fabrikant sie von einem Produzenten gegen baar erworben hat, jedoch nicht ohne dem Zwischenhändler sein Prozent zukommen zu lassen, denn dazu ist der deutsche Woll- marktbesucher zu vornehm, daß er den Handel persönlich abschließt; oder der Wollhändler führt dem Fabrikanten, sobald sein Kredit nicht erschüttert ist, jede beliebige Menge in jeder beliebigen Qualität zn — den Luxus, im Lande herumznreisen, um auf den Gütern aufzukanfen, können sich nur wenige Fabrikanten gestatten.
Die Wolle trifft, entgegen dein Gebrauch, welcher jetzt noch überwiegt, am besten als Schmntzwolle in den Fabriken ein: kann in diesem Falle doch der Gutsbesitzer seine Schafe zn der ihm gelegensten Zeit scheeren, die armen Thiere unterliegen dann nicht einer Barbarei der Behandlung, welche in der jetzt noch zum größten Theil üblichen Flußwäsche nicht nur das Schaf oft selbst schädigt, sondern auch den Fischreichthum des Flusses bedeutend mindert. Durch eine schlechte Flußwäsche wird der Werth der Wolle selbst verringert, sobald z. B. das sogenannte Verwaschen stattgefunden hat, jeder Woll- faden spinnt sich selbst unbequemer, wenn eine unvorsichtige Wäsche die Flocken des Vließes verfilzt hat; nur wenn die Wolle als Schmntzwolle in den Fabriken einträfe, würde auch die Möglichkeit gewährt werden, das Fett des Vließes gehörig auszunntzen.
Sobald die Wolle in der Fabrik noch einmal gewaschen ist — denn weder Rücken- oder Flußwäsche, noch auch die Handwäsche stellen die Wolle so rein her, daß sie ohne weiteres verarbeitet werden kann — wird sie für die Färberei zurecht gemacht. Die Niederlausitz färbt durchweg echt, d. h. ihre Farben widerstehen dem Einfluß von Licht, Luft, Wasser, Seife und schwachen Säuren. Dem Farbestoff liefert in überwiegendem Maße das Pflanzenreich. Es ist bekannt, daß die Wolle zu den Stoffen gehört, welche gutartig in Bezug auf die Farbe sind, d. h. deren Haare leicht eine Verbindung mit dein Farbestoff eingehen. Um nun aber der Farbe eine größere Haltbarkeit und die erwünschte Frische zu geben, ist ein vorheriges Beizen der entschweißten und entschwefelten Wolle mit Weinsteinsäure, mit Eisen- und Kupfervitriol, mit Alaun und Zinnsalz erwünscht.
In der Regel ist der Fabrikant selbst Färber, hin und wieder aber übergibt er auch die Wolle dem Schön- oder Kunstfärber, was sicher in den Fällen korrekt ist, wo er selbst nicht ein dnrchgebildeter Färber ist. Auf Färbung aber die größte Sorgfalt zn verwenden, bleibt nach wie vor Pflicht der Fabrikanten. Wer mit der englischen Färberei vertraut ist, weiß, daß jenseit des Kanals im wesentlichen mit denselben Stoffen und in derselben Weise wie bei uns gefärbt wird; aber der Glanz, die Frische und die Reinheit der Farbe, welche die englische Waare auszeichnen, wird bei uns nur in denjenigen Fabriken erreicht, welche bei England in die Schule gegangen sind. Freilich selbst die beste Färbung der Wolle vermag dem farbigen Gewebe nicht allein das Fesselnde und Anziehende zu geben, was wir bei einem geschmackvollen Anzuge verlangen; dazu gehört vor allem auch Beachtung der Farbenharmonie und Farbendisharmonie in dem Muster selbst. Es kann doch keineswegs als ein Zufall angesehen werden, wenn beste englische und beste französische Waare in Bezug auf Farbenreiz und Farbenharmonie einen so hohen Rang einnehmen; wir wissen, wie viel Gelehrte und Künstler in diesen Ländern für Ausbildung des Geschmackes und für technische Verwendbarkeit des Gefundenen gethan haben, und sehen denn auch, daß damit erhebliche Resultate erzielt sind. Wir Deutsche erhalten aber hier Fingerzeige, welche wir um so leichter beachten können, als an künstlerisch schaffenden: Vermögen der Deutsche den Engländer übertrifft, als selbst unser größter Dichter in seiner Farbenlehre eine Summe der feinsten Bemerkungen über das Aesthetische der Farbe uns hinterlassen hat.