Heft 
(1878) 28
Seite
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Die gefärbte Wolle wird nun gereinigt und aufgelockert und in drei Maschinen, in der Krempel, welche eine Einheit oder Sortiment bilden, in grobe und lockere Fäden vorgesponnen, weshalb sie zu besserer Bindung einen Zusatz von Baumöl er­hält, davon die größeren Fabriken z. B. jährlich 200 bis 400 Centner verbrauchen. Die Krempel gibt ihr Produkt an die Spinnerei ab, welche man mit Vorliebe die Seele der Tuch­macherei nennt. Die verschiedenen Systeme, nach welchen ge­sponnen wird, treten allmählich überall zurück hinter dem Self­aktor, der bereits 1825 erfunden, erst jetzt seine volle Wirk­samkeit in der Niederlausitz entfaltet. Daraus, daß diese kunst­volle Maschine, welche den gleichmäßigsten und bestgesponnenen Faden gibt, und es ist ein wunderbarer Anblick im Spinnsaalc, hunderte und tausende von Spillen geschäftig und rastlos ihre Arbeit verrichten zu sehen, nur von einigen Knaben bedient, welche etwa gerissene Fäden wieder anknüpfen erst verhält- nißmäßig spät in unseren Fabriken ihren-Einzug gehalten hat, erklärt sich denn auch wohl, daß der Fabrikant oft durch die Güte der Wolle allein einen Faden glaubt Herstellen zu können, welchen der Spinnmeister in England von einer Wolle niederer Qualität spinnt, dazu nur befähigt durch größere technische Durchbildung und Erfahrung.

Der gesponnene Faden wird jetzt entweder als Kette oder als Einschlag verwandt. Um ihn zu befähigen, als Kette zn dienen, wird er in der für das Gewebe nöthigen Breite auf einer großen aufrecht stehenden Haspel anfgewunden man nennt diesen Vorgang dasSchemen der Kette" sodann geleimt und darauf gebäumt. Auch diese scheinbar so weit aus­einander liegenden Operationen besorgt jetzt schon hin und wieder eine Maschine. Wenn nun eine Kette der Breite nach voll­ständig einem eben vollendeten Gewebe entspricht, so wird durch einfaches Umdrehen mit der Hand Faden um Faden von der alten und neuen Kette verknüpft, ist das aber nicht der Fall, so muß das mühselige Geschäft des Einziehens und Anschnürens der Kettenfäden, und zwar geschieht dies meist von Frauenhand, besorgt werden. Und nun erst vermag der Stuhl die Arbeit des Webens aufzunchmen, wobei das Weberschiffchen mit dem Einschlagfaden rastlos durch die Kette sanft und Schlag um Schlag das Gewebe um einen Faden wächst. Die mühselige Handarbeit ist auch hier zumeist der Maschine gewichen, dem mechanischen Webstuhl, obschon noch immer für besonders kunst­volle Gewebe der Handstuhl, namentlich der große Jacquard gern verwandt wird; aber es unterliegt keinem Zweifel, daß der letzte Handwebcr bald mit der Laterne wird zn suchen fein, sobald die wenigen Mißstände, welche hier und da dem mechanischen Stuhl anhasten, beseitigt sein werden. Bei dem mechanischen Webstnhl hat der Arbeiter wie in der mechanischen Spinnerei eigentlich nur noch gerissene Fäden anzuknüpfen; so wird denn auch die leichte Arbeit, welche aber immerhin viel Sorgfalt und Ausdauer verlangt, mit Vorliebe von Frauen ausgeführt.

Um das Gewebe von Oel und Leim zu reinigen, Passirt cs nun die Walke, welche aber den Hauptzweck hat, die Woll- fasern zn verfilzen, was noch jetzt zum Theil in der Hammer­walke geschieht, obschon die Walzenwerke durch ihre Druck- Walzen diesen Zweck besser erfüllen, weil sie das Zeug unter anderen weniger angreisen. Aber selbst die Walzwerke sind in neuester Zeit vielfach durch die Schnelllöcher verdrängt worden, eine Hammerwalke, welche im Vcrhältniß zu der alten Hammer­walke etwa das Zwanzigfache leistet. Es unterscheidet sich aber das Walkverfahren der Niederlausitzer zum Theil von dem aus­ländischen. Das Ausland verfilzt die Fäden nicht annähernd wie wir, und wo Niederlausitzer Fabrikanten direkte Aufträge des Auslandes ausführen, sind sie oftmals genöthigt, in dieser Weise zn arbeiten, während allerdings der deutsche Käufer viel­fach noch eine Härte des Gewebes verlangt, welche nicht etwa zum Vortheil des Stoffes und der Farbe nur das energische Verfilzen der Wollfaser in der Walke gewährt.

Der Buckskin verläßt in der Regel nadelfertig die Fabrik, und WL das noch nicht geschieht, wird es einzuführen sein. Aber Mch nach der Walke ist das Tuch noch lange nicht für den Markt fertig gestellt. Zunächst wandert nun nämlich das

Gewebe in die Rauherei; hier kratzt die Karde die Wollfaser nach gleicher Richtung auf, dann begibt sich das gerauhte Ge­webe in den Schercylinder, welcher die emporstehende Faser beliebig kürzt. Nicht nöthig ist die Ranherei, wo das Gewebe ein kammgarnartiges Gepräge trägt, wo also im Gegensatz zum Gewebe von Streichgarn der Wollfaden offen zu Tage liegt; in diesem Falle wird die Wollfaser durch energisches Scheren ganz beseitigt, hin und wieder auch abgesengt. Nur wo ein Gewebe der sogenannten englischen Appretur unterliegt, ent­behrt es der Ranherei und des Scherens ganz, es wird in diesem Falle nur gepreßt.

Andere unwesentliche Vorgänge, den Buckskin durch die Appretur marktfähig zu machen, mögen als nicht besonders wichtig übergangen werden, nur sei noch erwähnt, daß die Beseitigung etwaiger Fehler im Gewebe oder in der Färbung kunstvoll ent­weder nach der Walke oder nach dem Scheren vorgenommen wird.

Sind dies die allgemeinen Umrisse des Verfahrens, wie ans der Wolle unsere Kleidung bereitet wird, so darf man doch aus der allgemeinen Gleichheit des Verfahrens keinesfalls zn dein Schluß gelangen, es lieferten die Fabriken der Nieder­lausitz annähernd dasselbe Gewebe; wie jede Fabrik ihr indi­viduelles Gepräge trägt, so jeder Ort: aus Guben kommt Tuch, Double, Buckskin, Spremberg liefert leichte Stoffe, Forst Demi- waare, Mnskau schweren Förster Stoff, Cottbus und Peitz im Durchschnitt die thenerste Waare, Finsterwalde aber Tuche und erst in neuester Zeit, seit ihm durch die amerikanischen Schutz­zölle ein großer Theil seines Marktes verloren gegangen ist, auch Buckskin.

Eine Wanderung durch die Buckskinfabriken der Nieder­lausitz hat uns die Ueberzengung gewährt, daß wir die nähere Bekanntschaft mit einer Industrie gemacht haben, welche in ihrer ganzen Wichtigkeit eine richtige Würdigung bis jetzt nicht ge­funden hat.

Die Niederlausitz ist der Bodenbeschaffenheit nach zum größten Theil ein armes Land, und was hat der rastlose Fleiß und die Intelligenz der Fabrikanten, welche zum Theil noch mit einem Handstuhl ihre mühevolle und aufreibende Thätig- keit begonnen haben, daraus gemacht! Reden doch davon schon die Zahlen, wenn man bequem berechnet, daß unsere Buckskin­städte einen jährlichen Umsatz von über 100 Millionen Mark erzielen. Und wiederum, worin haben sie Schutz und Unter­stützung gefunden? Die Dankbarkeit der Mitbürger ist ja den strebsamsten Fabrikanten in der Stadt von je am seltensten zn Theil geworden, aber auch der Staat steht ihren Leistungen fern. Noch führt uns kein Kanal aus Böhmen die edlere Kohle und mit ihr starke und preiswerte Heizkraft zn, noch hält das Privatkapital sich von der Industrie fern, welches z. B. dem englischen Fabrikanten billiges Geld gewährt, noch vertheuern die langen Zielzeiten dem Fabrikanten in Deutschland die Waare, noch befindet sich in keiner Stadt der Niederlausitz eine Reichs- bankkommandite, sondern wir treffen hier nur Reichsbankneben- stellen mit beschränktester Vollmacht; noch fehlt es uns an Fach­schulen, in welchen tüchtige Arbeiter herangebildet werden, in welchen technisches Geschick und Geschmack der Arbeiter gefördert und ihnen damit auf breitester Grundlage eine Bildung und mit der Bildung ein Grad von Zufriedenheit anerzogen wird, welcher sie befähigt, den sozialen Lockrufen zu widerstehen und, sobald sie das Gebiet der elementar erziehenden Thätigkeit verlassen, Schutz gewährt vor dein oft verwirrenden Einfluß der Volksbildungsvereine mit ihrem bunten Gemisch von Vor­trägen oft über fernliegende Dinge. Nur der äußerste Osten der Niederlausitz ist im Besitz einer Realschule erster Ordnung; Forst mit seinen 14,500 Seelen entbehrt einer höheren Schule irgend welcher Art gänzlich; selbst eine Kunstausstellung hat in der Niederlausitz noch niemals bildend und veredelnd auf den Geschmack eingewirkt.

Es ist zu viel bereits darüber geschrieben worden, wie sehr das Wollengewerbe in den Handelsverträgen dem Anslande gegenüber im Nachtheil sich befindet, als daß die Einzelheiten hier zu wiederholen wären; aber erklärlich wird der Ruf nach Schutzzöllen dadurch allerdings. Allein Schutzzölle sind wie die Musterschutzgesetze ein zweischneidiges Schwert, sie können in